Ich bin so müde. Pandemie-müde. So schrecklich müde von all diesem Corona Small-Talk. Früher bekam man auf ein „Wie geht’s?“ meist der Einfachheit halber ein schlichtes „gut“ zurück. Heute rollt auf die Frage nach dem Wohlbefinden jeder demonstrativ mit den Augen und beginnt damit, seine gesammelte schlechte Laune beim Gegenüber abzuladen. Es geht um neue Verordnungen, nicht nachvollziehbare Entscheidungen und die Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation. Jeder findet irgendetwas schlechtes. Ständig. Und ich?
Ich habe auch keinen Bock mehr. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich bei noch etwas mehr Social Distancing das Sprechen verlerne. In meinem Hirn hängen Spinnweben. Die Tage sind geprägt von Ereignislosigkeit und bis zum Erbrechen durchexerzierten Wiederholungen. Homeoffice-Homeschooling-Homecleaning. Press repeat.

Lass mich in Ruhe mit deiner schlechten Laune
Und das Schlimmste daran? Ich mag es eigentlich schon gar keinem mehr erzählen, wie sehr mir das alles auf den Wecker geht. Wie gerne ich irgendwohin reisen würde. Mal wieder etwas anderes sehen. Raus aus dem coronischen Alltagstrott, ohne Einschränkungen und Anstrengungen. Aber wem erzähle ich das? Dieses Gefühl teile ich mit Millionen anderen.
Was soll ich einer anderen Mutter erzählen, wie anstrengend es ist, Homeschooling, Job und Haushalt unter einen Hut zu bekommen. Das weiß sie alles selbst. Und will von mir sicher nicht auch noch hören, wie genervt ich mit meinen „Problemchen“ bin. Was Anfang 2020 noch zu großer Solidarität geführt hat, dem „Wir-bleiben.zu-Hause-und-retten-die-Welt-Feeling“, ist jetzt, nach über einem Jahr, zu einem kollektiven Burnout geworden. Eine Abwärtsspirale der beschissenen Laune.
Und ich bin mittendrin. Wir alle. Würden wir nicht am liebsten in die Welt hinausschreien, wie furchtbar genervt wir von all dem sind? Aber hört überhaupt noch jemand zu? Sind wir nicht mittlerweile alle so sehr mit uns selbst beschäftigt, dass die Sozialkompetenz, sich das Gejammer des anderen auch noch anzuhören, eigentlich schon längst aufgebraucht ist?
Wem soll ich als Mutter noch erzählen, dass mein Kind darunter leidet, nicht in die Schule zu dürfen, immer auf Abstand achten zu müsen, sich nicht frei bewegen zu können. Und ich als Frau, wem soll ich noch erzählen, das meine Batterien nach einem Wochende nicht wieder aufgeladen sind, um am nächsten Montag zwischen zwei Online-Meetings zu erklären, wie man über den Zehner subrahiert. Soll ich es dem Restaurantbesitzer erzählen, der seit Monaten sein Lokal nicht für Gäste öffnen darf? Oder der Ladenbesitzerin, die zwischen Click&Collect, Click&Meet und „komplett geschlossen“ bangen muss. Oder den Menschen, die auf Intensivstationen um das Leben Anderer kämpfen? Haben sie nicht viel eher das Recht zu jammern als ich?

The struggle is real
Jeder führt momentan seinen ganz persönlichen Struggle. Jeder kämpft mit seinen eigenen Sorgen und Ängsten. Dem verzweifelten Wunsch nach Normalität. Und dabei haben die Nöte der erschöpften Mutter die gleiche Daseinsberechtigung wie der Kummer eines Singles oder die Wut einer Krankenschwester.
Und trotz dieses ultimativen Anrechts auf Verständnis für alle, habe ich exklusiv für mich schlechte Laune. Das interessiert vielleicht mittlerweile niemanden mehr, außer eventuell meinen Partner, aber sie ist da. Morgens, beim Anblick der chaotischen Wohnung, die wir am Abend zuvor aus Müdigkeit nicht mehr aufgeräumt haben, mittags, bei der Feststellung, dass ich dank Homeschooling nicht annähernd das geschafft habe, was ich mir für den Vormittag vorgenommen hatte, nachmittags, weil die Kinder auch nur noch am motzen sind und abends, wenn ich in den Nachrichten Schwurblern und Queerdenkern dabei zusehe, wie sie zusammen mit braunem Pack auf Demonstrationen ihre verqueeren Theorien verbreiten und dabei maskenlos in Kauf nehmen, dass sich wieder Hunderte anstecken.
Früher war mehr „WIR“
Erste-Welt-Probleme. Weiß ich. Aber sie sind eben da und wirken sich auf mich und meine Laune aus. Und wenn dann einer kommt und fragt „Wie geht’s?“, was soll ich da noch antworten? Dann bin ich genauso resigniert und übellaunig wie alle anderen auch. Und natürlich würde ich gerne irgendwem die Schuld geben. Aber wem? Der Politik? Der Pharmaindustrie? Irgendeiner Fledermaus?
Was uns fehlt, ist das gemeinsame Lachen. Das Gemeinschaftsgefühl, das wir hatten, als es 2020 losging. Ohne das Klatschen vom Balkon allerdings, das war schon damals peinlich und unnötig. Zu diesem Zeitpunkt dachten wir noch, in ein paar Wochen ist der Spuk vorbei. Da hatten wir noch die Kapazitäten anderen zuzuhören. Uns ist das positive Mindset abhanden gekommen. Wer will es uns verübeln.

Aber ich muss für ich persönlich wieder einen Weg aus diesem Sturmtief finden. Ich ertrage das Dauerrauschen der schlechten Laune um mich herum nicht mehr, es zieht mich immer weiter runter. Aber ich will es auch nicht einfach ausblenden, denn die miese Stimmung kommt ja nicht von ungefähr und begründet sich auf realen Problemen, die nun mal da sind. Das kann man auch nicht mit ein paar lustigen Sprüchen oder einer halben Stunde Kaffeepause lösen.
Bass, wir brauchen Bass…
Was aber zum Beispiel für mich als Ventil gut funktioniert und mir oft dabei hilft, in einem negativen Gedanken nicht vollkommen unterzugehen, ist Musik. Sie war und wird immer ein wichtiger Teil meines Lebens sein. Ich höre sie nicht nur der Unterhaltung wegen, sonder weil sie Gefühle erzeugen kann, die man sich manchmal gar nicht zu fühlen traut. Da kann von Freude über Trauer bis hin zu Hass alles dabei sein. Mit Musik kann ich festgefahrene Gedanken lösen, die dann die Chance haben, die Richtung wechseln. Man muss sie nur richtig an sich heranlassen. Und manchma laut aufdrehen.
Jetzt könnte jemand sagen. „Musik wird mir nicht dabei helfen meine Kinder im Homeschooling zu unterrichten, während ich eigentich arbeiten müsste.“ Und das stimmt vermutlich ausnahmslos. Mein Weg funktioniert natürlich auch nicht für jeden. Aber niemand sollte zulassen, dass all die negativen Gedanken so viel Raum einnehmen, dass für nichts anderes mehr Platz ist.
Ich selbst habe genug Tage, an denen ich mir denke: „Ach, lasst mich doch alle in Ruhe, heute hab‘ ich schlechte Laune!“ Es geht auch nicht darum, wie ein aufgeputschter Clown durch die Gegend zu rennen und allen zu sagen, sie sollen gefälligst mal wieder lachen. Aber zwischendurch mal lächeln und sich bewusst machen, dass bei all dem Mist, der um uns herum geschieht, auch gute Dinge stattfinden. Frag dich jeden Abend einmal: „Was ist denn heute Gutes passiert?“. Allein diese Erkenntnis bewirkt manchmal schon Wunder.
Daran sollte ich mich selbst auch viel öfter erinnern. Und jetzt mache ich erst einmal Musik an!
Wie schaffst du es, nicht in das Loch der schlechten Laune und dunklen Gedanken zu fallen? Hast du Tipps und Tricks?
Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, dann lies doch mal Keine 2. Chance – das Leben ist zum Leben da.
Weitere interessante Beiträge, Gedanken und Inspiration in der Kategorie MOM findest du hier. Besuche uns auch auf Facebook, Instagram und Twitter
Anmerkung der Autorin: Es geht in diesem Beitrag nicht um Depressionen. Diese sind eine ernstzunehmende Krankheit und müssen mit psychologischer Hilfe behandelt werden. In diesem Beitrag geht es um die allgemeine Stimmungslage, die aktuell überall vorherrscht und wie ein positives Mindset ein Stimmungstief beeinflussen können.