Ok. Ich nehme alles zurück. Naja, fast alles. In meinem vorgezogenen Weihnachtsblog habe ich in aller Ausführlichkeit beschrieben, dass mir das letzte, erneut verlorene Jahr, in dem ich hätte meinem Singledasein ein Ende bereiten können, überhaupt nichts ausmacht. Weil es Wichtigeres gab. Und weil ich viel über mich selbst gelernt habe und endlich mal Zeit hatte, gewisse Dinge in meinem Leben aus- und umzusortieren.

Dazu stehe ich immer noch. Und trotzdem ist mir in einer der vielen schlaflosen Nächte, die ich aktuell mal wieder habe, plötzlich klar geworden, dass ich leider ein ganz essentielles Jahr verloren habe. Und das jetzt vielleicht der letzte Sargnagel zu meiner doch noch nicht ganz aufgegebenen Kinderplanung gewesen sein könnte. Und mein Single-Masterplan in ernsthafter Gefahr ist.

Vieles habe ich 2020 gewonnen. Außer Zeit für den Single-Masterplan.

Sicher, auch anderes, wofür man dieses Jahr hätte gut nutzen können, ist wieder dahin. So sind beispielsweise die 4 Kilo, die ich verloren hatte, längst wieder drauf. Wie las ich gestern noch so treffend? Aus 2020 ist man nur auf zwei Arten rausgekommen: Fit wie Sau oder fett wie Sau. Tja. Das lassen wir mal so stehen. Ich jedenfalls weiß jetzt, dass Zeitmangel nicht der Grund für meine bisherige Sportverweigerung war. Auch eine Erkenntnis. Zu meiner Verteidigung muss ich aber sagen: Nach 3 Wochen im Oktober, in denen ich wirklich konsequent im Fitness-Studio war, mussten diese Lokalitäten ja schon wieder schließen. So ein bisschen kann ich also zum Glück auch anderen die Schuld geben.

Natürlich kann man auch draußen laufen gehen. Und kostet auch noch nix. Schwabendeal. Trotzdem nichts für mich. Ich hasse das nämlich. Und wer mich vor, während und nach dem Firmenlauf erlebt hat, bei dem ich seinerzeit knapp 6 km gelaufen bin, untrainiert wohlgemerkt, weiß das. Ok, gelaufen ist jetzt vielleicht auch übertrieben. Nach 200 Metern hatte ich Seitenstechen und bin von da an nur noch gegangen. Ich höre noch immer meine Fitness App in meiner Tasche: „Bitte laufen Sie schneller. Bitte laufen Sie schneller.“ Um es mit Teddy Teclebrhan zu sagen: Bitte halt dein‘ Schnauze.

Frau mit Muskeln vor schwarzem Hintergrund ohne Single-Masterplan
Jetzt hatte ich mich schon mal für’s Fitness Studio aufgerafft und dann? Lockdown 2.0. I love it.

Schön war allerdings, dass die Kollegen im Ziel erleichtert applaudiert haben, als ich ankam, weil sie gedacht hatten, ich wäre unterwegs einfach umgefallen. Hat das Teambuilding ungemein gestärkt. Und trotzdem war ich leider im nächsten Jahr urlaubstechnisch verhindert, als die Teamleitung uns wieder ungefragt anmelden wollte. Und jetzt grätscht mir Corona bei meinem Weg zum Traumkörper rein. So ein Pech aber auch.

Master of Disaster ist wieder nur eine: Die biologische Uhr.

Zugegeben, das war auch nur ein kleiner Baustein zu meiner Weichenstellung bei der Operation „Heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens.“ Denn ernsthaft betrachtet hatte ich tatsächlich Pläne. Und obwohl ich zur Genüge gelernt habe, dass Pläne sowieso nie funktionieren, ist es eben doch mal wieder die biologische Uhr, die einem den Zeitrahmen vorgibt.

Wie schon an anderer Stelle beschrieben, habe ich die Kinderplanung mehrmals großzügig an die Gegebenheiten meines Lebens angepasst. Wegen des Studiums auf Ende 20, wegen des dann fehlenden Partners auf Anfang, maximal Mitte 30. Und schlussendlich musste ich komplett raus aus meiner Komfortzone und mir eingestehen, dass ich von Glück sagen kann, wenn sich das Zeitfenster nicht endgültig schließt, bevor ich überhaupt noch eine Gelegenheit habe, das mit den Kindern auch nur zu versuchen.

In Zahlen ausgedrückt: Die ältesten Erstgebärenden, die ich kenne, sind 42. Abgesehen von ein paar Ausreißern darüber, die schon als ein Wunder gelten. Gut, runden wir mal großzügig auf 43. Eine noch ältere Mutter möchte ich ja auch irgendwie nicht sein, auch wenn ich damit sowieso schon weit jenseits von dem bin, was ich mir einmal ausgemalt hatte. Auf keinen Fall eine alte Mutter zu sein nämlich.

Aber jetzt geht es ja nicht mal mehr um die dummen Kommentare. Sondern ums Eingemachte. Nämlich darum, ob das überhaupt noch funktioniert, selbst wenn ich morgen plötzlich einen Partner haben sollte. Dem ich auch nicht am ersten Tag die Pistole auf die Brust setze, das versteht sich ja von selbst.

Und so ereilte mich vor kurzem des Nachts, als alle anderen Dinge, die mich 2020 beschäftigt und natürlich auch irgendwie zu meiner persönlichen Entwicklung beigetragen haben, endlich mal ruhten, die harte Erkenntnis, dass ich ein Jahr verloren habe. Grundsätzlich nichts Neues für mich. Aber eines, das genauer betrachtet tatsächlich ein sehr entscheidendes war. Eines, in dem ich mich endlich beruflich so festigen wollte, dass ich mich nicht ständig mit Abschiedsgedanken oder der Angst vor einer betrieblichen Kündigung tragen muss. In dem ich neue Ufer, neue Menschen und vielleicht endlich mal einen Platz kennenlernen konnte, der „meiner“ war und an dem ich bleiben wollte.

Kinderwunsch: Wenn man sich eingestehen muss, dass der Plan wahrscheinlich nicht mehr aufgeht, ist das extrem schmerzhaft.

Um dann noch zwei oder drei Jahre Zeit zu haben, bis ich mich wohl endgültig von Dingen verabschieden muss, die mir mein ganzes Leben wichtig waren. Dem Kinderwunsch zum Beispiel. Bisher habe ich diesen Gedanken noch verschoben. Ich hatte ja noch Zeit. Zumindest ein bisschen. Wenn ich richtig Gas gebe.

Jetzt wurde diesem bisschen aber wieder ein Jahr geklaut. Und irgendwann muss ich mir eingestehen, dass der Punkt da ist, an dem auch meine letzte Verschiebung den Gegebenheiten nicht mehr standhält.

Auch vermeintlich unwichtige Orte können quasi über Menschenleben entscheiden.

Und auch wenn in diesen Zeiten jeder aus seiner persönlichen Perspektive argumentiert und spätestens dann seine liberale Einstellung von wegen „ich verzichte gerne für andere“ aufgibt, wenn es an die eigenen Befindlichkeiten geht, muss ich sagen: Im Grunde war ich das ganze Jahr wirklich geduldig. Ich habe keine Bar vermisst, keinen Club, nichts von alledem, was man Singles als egozentrischen, nicht mal im Ansatz systemrelevanten Wunsch vorwerfen könnte. Wo doch Kitas und Schulen geschlossen sind und Eltern nicht wissen, wo sie Zeit, Nerven und Bildungswissen herbekommen sollen.

Aber, liebe Eltern und alle anderen, auch wenn ich all diese Sorgen wie immer nachvollziehen kann: Ich hab jetzt einfach keine Lust mehr, mit meinen persönlichen Ängsten hinterm Berg zu halten, die ich das ganze Jahr aus Scham und Gründen der etwaigen Belanglosigkeit nie ausgesprochen habe. Vielleicht denkt ihr, bevor ihr über in euren Augen unnütze Einrichtungen herzieht, die ebenfalls geschlossen bleiben müssen, mal darüber nach, dass genau der Sportverein, das Fitness Studio, das Feierabendbier oder die Gartenparty bei Freunden für manche Menschen bedeutet, dass sie auf lange Sicht gesehen noch viel mehr aufgeben müssen, als das Auge sieht.

Ich habe lange durchgehalten. So wie viele andere auch. Aber die Erkenntnis, dass ich in dem Jahr, in dem ich viel gewonnen habe, vielleicht auch genau so viel endgültig verloren haben könnte, löst Panik in mir aus. An vielen Ecken und Enden. Und die geht – zumindest aktuell – nicht mehr weg.

Es wird dauern, so lange es dauert. Und ich werde immer solidarisch sein, denn die Gesundheit geht vor. Ich habe nur mal ausnahmsweise die ganz egoistische Angst, dass mich das alles mein (zukünftiges) „Leben“ kosten könnte. Und die Aussicht, dass das noch das ganze Jahr 2021 so weitergehen könnte, schnürt mir ehrlich gesagt den Hals zu.


Habt ihr ähnliche Gedanken, die euch nach diesen langen Monaten der Entbehrungen und keiner wirklichen Aussicht auf Besserung beschäftigen? Ich freue mich auf eure Kommentare, hier im Blog, auf Facebook oder Instagram.

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Eine Antwort zu „Haltet die Welt an – Wie 2020 mir meinen Single-Masterplan versaut hat.”.

  1. Avatar von Annie
    Annie

    Dein Bericht könnte eins zu eins von mir sein- ich finde mich in jedem Wort wieder und fühle mich endlich, endlich mal verstanden!! Danke dafür!
    Auch ich bin 40, Single (schon länger) mit Kinderwunsch und sehe das letzte Jahr und auch die Monate jetzt als verlorene Zeit an, die mir die Möglichkeiten raubt, den Partner für eine Familie kennenzulernen. Die Zeit läuft und läuft.. aber ich bin ( vielleicht etwas naiv) weiterhin optimistisch, dass es DOCH noch klappt.ich versuche das onlinedating wieder zu aktivieren und gebe die Hoffnung einfach gaaaaanz stur nicht auf:-)

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