
Als Single ohne Kinder hat man das perfekte Leben. Man kann tun und lassen, was man möchte. Pizza im Bett essen, bis drei Uhr nachmittags schlafen, außerhalb der Ferien Urlaub machen und seine Wohnung jedes Wochenende in einen Party-Hot-Spot verwandeln. Selbstverständlich hat man auch immer die krassesten Affären am Start und bekommt so permanent die Bestätigung, die einem in einer Beziehung spätestens nach dem ersten handfesten Streit wegen liegengebliebener Socken abhanden gekommen ist. Soweit die Theorie. Und ja, einiges davon mag zutreffen. Die Frage ist nur: möchte man das alles wirklich auch genau so? Und welchen Preis bezahlt man auf der anderen Seite dafür?
Die erste meiner Freundinnen wurde vor 12 Jahren Mama. Alles war aufregend, man hat mitgefiebert, Geschenke gekauft und jeden Schritt des kleinen Mannes mitverfolgt. Und natürlich auch Rücksicht genommen. Auf durchwachte Nächte, blankliegende Nerven, Gespräche, die nach jedem zweiten Satz durch ein quäkendes „Mamaaaaaaa!“ unterbrochen wurden. Und worauf selbstverständlich prompt reagiert wurde. Ich habe das gern gemacht. Ehrlich. Bei jedem weiteren der mittlerweile vier Kinder. Und auch all den anderen, die sich in dieser Zeit in meinem kompletten Umfeld dazugesellt haben.
Meine Freude war jedes Mal echt, von ganzem Herzen gegönnt. Und immer begleitet von etwas Wehmut und dem Gedanken, dass ich bestimmt auch irgendwann dran bin. Und mich endlich wieder dazugehörig fühle. Und bis dahin nehme ich einfach am Familienleben teil und verzichte verständnisvoll auf alle Mädelsabende und sämtliche Gesprächsthemen, die uns beide früher mal interessiert haben. Denn so ist er halt, der Lauf der Dinge. Und die, die da nicht reinpasst, bin ja ich. Die’s nicht auf die Reihe bekommt. Selbst Schuld.

Aber – und das muss jetzt mal in aller Deutlichkeit formuliert werden: alles hat seine Grenzen. Irgendwann steht man da und stellt fest, dass man vor lauter Rücksichtnahme irgendwo zwischen Beißring und Laufrad die eigenen Interessen völlig vernachlässigt hat. Und offenbar den Eltern in seiner Umgebung suggeriert, dass diese auch gar nicht von Belang sind. Denn warum sonst sollte man sich in ihrer Gegenwart nur noch wie ein halber Mensch fühlen?
Ich bin generell sehr harmoniebedürftig und stecke eher mal ein, als auszuteilen. Um des lieben Friedens Willen. Aber immer in der Annahme, dass dafür auch mal was zurückkommt. Stattdessen verselbständigt sich dieses einseitige Zurückstecken so weit, dass man schräg angeschaut wird, wenn man dann doch mal einen Einspruch formuliert, der nicht in den Familientagesablauf passt. „Ach, du hast doch Zeit und bist flexibel. Musst ja nur auf dich selbst achten.“ Und dann das Totschlagargument der MOMsters: „Weißt du, manche Dinge versteht man erst, wenn man selbst Kinder hat.“
Ach so. Und manche Dinge vergisst man wohl auch ganz schnell, wenn man selbst Kinder hat. Zum Beispiel, dass man mal Vollzeit gearbeitet hat und das auch minimal zeitraubend und störend für die Freizeitgestaltung ist? Vor allem wenn man Überstunden machen muss und dann am Tag noch zwei Stunden im Auto verbringt, um zur Arbeit und wieder nach Hause zu kommen.
Ganz deutlich wurde mir die Schieflage meiner Geben-und-Nehmen-Bilanz letztes Jahr vor Weihnachten. Generell keine besonders schöne Zeit für Singles. Am ersten Advent findet bei mir um die Ecke traditionell ein Weihnachtsmarkt statt. Da ich sonst meistens fahren muss, ist das ein seltener Luxus. Also aktivierte ich einige Freunde mit Familie und schlug vor, dass wir uns treffen. Nach dem auch nach längerer halbherziger Kommunikation keine feste Uhrzeit zustande kam, hakte ich nochmal nach. „Ja, also, wir haben jetzt mit Kellers ausgemacht, dass wir so um 17.00 Uhr dort sind.“ Ah ja. Mit Kellers. Die selbstverständlich auch Kinder und mir nicht mal auf meine Nachricht geantwortet haben. Na dann. Immerhin hatte ich jetzt eine Uhrzeit. „Wir melden uns, wenn wir losfahren.“
16.50 Uhr. Ok, ist vielleicht noch etwas früh. Und der Weg ist ja nicht allzu weit.
17.15 Uhr. Bestimmt ist was mit den Kindern. Bis man da alles eingepackt hat, kann es ja schon mal etwas später werden.
17.45 Uhr. Leicht genervt, aber immer noch höchst verständnisvoll wage ich den Vorstoß, mal nachzufragen, ob alles ok ist und sie schon absehen können, wann sie kommen. Dann würde ich demnächst mal loslaufen.
Die Antwort kam prompt. „Oh sorry, wir haben dich vergessen. Also wir sind mit Kellers schon seit kurz nach 5 da. Kannst ja jetzt kommen.“ Ich kann nicht verhindern, dass mir kurz vor Wut die Tränen in die Augen steigen. Sorry? S-O-R-R-Y? Ist das euer beschissener Ernst?
Generell hat man das Gefühl, dass gemeinsame Aktivitäten nur noch an Bedingungen geknüpft wahrgenommen werden. Als könne man sich glücklich schätzen, dass der erlauchte Kreis der Frühgebärenden einen als 0-Gravida [1]überhaupt noch als menschliches Wesen wahrnimmt. Jüngstes Beispiel: Ein geplanter Besuch bei meiner Freundin und Ex-Kommilitonin in München. Diese Ausflüge sind seit diverser Beziehungsverbandelungen und Familienzuwachse äußerst seltenes Gut geworden. Ich liebe München und ich war immer sehr gerne dort, zeitweise 4 bis 5 Mal im Jahr.
Daher freue ich mir jedes Mal ein Loch in den Bauch, wenn die zugepflasterten Terminkalender – vornehmlich natürlich der meines anderen mitreisenden Kommilitonen und Familie – dann doch einmal im Jahr ein konspiratives Treffen zulassen. Denn seit „der Zwerg“ da ist, sind die Wochenenden ja komplett dicht. Mit was auch immer.

Erfreulich für die Umwelt: Ich darf in der Familienkutsche mitfahren. Aber – Achtung, Bedingung: „Entweder fahren wir erst los, wenn „der Zwerg“ schläft oder du bespaßt das Kind für zwei Stunden.“ Pest gegen Cholera. Nice. Selbstverständlich richtet sich die Planung der Rückfahrt ebenfalls nach diesem Muster. Ich erwäge, meinem ökologischen Fußabdruck den Mittelfinger zu zeigen und selbst zu fahren.
Liebe Eltern. Ich habe sehr viel Verständnis für Euch. Aber bitte nehmt zur Kenntnis, dass ich ebenfalls – auch wenn ich als Single leider nicht im „Wir“-Modus sprechen kann – nach wie vor ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft bin. Und nicht nur – sowohl auf der Rückbank Eures Minivans zwischen Bobby Car und Kindersitz, sondern auch in Eurem Leben – in irgendwelche zufällig frei gewordenen Slots gequetscht werden will.
Denn denkt dran: Ich bin auch diejenige, die Euch auf meinem perwollweißen Stylosofa das Sektglas reicht, wenn Euch mal wieder alles zu viel wird und die Flucht in andere Familienhöllen in diesem Moment für Euch auch nicht der place to be ist. Weil Euch da eh keiner zuhört.
Ich höre zu. Und darin bin ich sogar ziemlich gut. Denn es
heißt Geben und Nehmen. Nicht Nehmen und Gehen.

[1] 0-Gravida: Medizinische Bezeichnung für die Anzahl der Schwangerschaften. Wird im Mutterpass eingetragen. In diesem Fall: keine.
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