
Was bedeutet Freundschaft für dich? Diese auf den ersten Blick sehr einfache Frage stellte vor kurzem eine unserer Followerinnen und Fellow-Bloggerinnen in ihrer Instastory. Und irgendwie blieb ich daran hängen.
In den letzten Jahren habe ich mir diese Frage tatsächlich immer wieder gestellt. Weil ich merkte, dass sich meine Definition von Freundschaft rückblickend über die Jahre sehr verändert hat.
In Kindheitstagen sucht man sich seine Freunde denke ich sehr intuitiv, aber natürlich auch gesteuert durch den Rahmen, den Eltern und Umfeld uns geben. Nachbarschaft, Kindergarten, Geschwister, Cousins und Cousinen. Kinderturnen, Musikschule, Fußballverein. Die beste Freundin ist die, mit der man am besten die Lieblingsspiele spielen kann.
Später, in Schule und Teenagerjahren, bleiben die Fußballkumpels und Schulfreunde meist weiterhin der Fokus. Man identifiziert sich jedoch vielleicht eher mit der einen oder anderen Gruppe. Uncool sein will man ja auf keinen Fall.

Was aber macht Freundschaft im Erwachsenenalter aus? In einer Zeit, in der man nicht mehr auf natürliche Weise täglich zusammen hängt? An den Wochenenden nicht mehr quasi bei der besten Freundin wohnt und sich abends auf dem Bolz- oder Basketballplatz trifft, ohne sich verabreden zu müssen. Und dort bleibt, bis es dunkel wird. Wenn man sich plötzlich bemühen muss, Kontakt zu halten und sich bewusst Zeit nehmen muss, um sich zu sehen.
Freundschaften Ü30 definieren sich nicht mehr über durchgemachte Nächte. Zumindest – meistens – nicht mit Freunden. Was aber ist mir heute wichtig? Und muss ich nach der Beantwortung dieser Frage vielleicht – nach Beseitigung der offensichtlichen Narzissten – doch nochmal mal meine Freundschaften ausmisten?
Wenn ich genauer darüber nachdenke, sind es hauptsächlich die Dinge, die ich nicht mehr möchte, die meine wertvollen Freundschaften so erhaltenswert machen. Zum Beispiel folgende:
Freundschaft ist kein Wettbewerb
Es gibt Freundschaften, in denen ich permanent das Gefühl habe, in einem unterschwelligen Wettbewerb zu stehen.
Ich war noch nie ein Wettkampfmensch. Wenn ich früher Vereinssportarten ausprobiert habe, hätte ich am liebsten nur trainiert. Die Turniere an den Wochenenden waren mir immer zuwider. Deshalb habe ich meine Mannschaftssport-Karriere relativ schnell wieder hingeschmissen. Klar, als Mannschaft etwas zu erreichen, fördert den Teamgeist. Aber ständig besser als jemand anderer sein zu wollen, ist ein Konzept, das nutzlos Energie verschwendet und mir keinen großen Spaß macht.
Sicher könnte man das jetzt wieder als Unsicherheit oder gar Versagensangst interpretieren. Und vielleicht ist da auch was dran. Aber da es immer jemanden gibt, der dies oder jenes besser kann als ich, sehe ich gar keine Notwendigkeit, aus irgendeinem Bereich in meinem Leben ein Wettrennen zu machen. Ich finde das im beruflichen Umfeld schon anstrengend und unnötig genug. In einer Freundschaft hat das erst recht nichts zu suchen.

Was mir aber auffällt: Menschen, denen das Spaß zu machen scheint und die dieses Konzept auch in ihren Freundschaften leben, haben oft ein großes Problem damit, wenn der andere mal Erster ist. Ich möchte in einer Freundschaft nicht dafür abgestraft werden, dass ich auch mal etwas besser kann. In einer Situation mehr Glück hatte. Mehr Spaß. Oder etwas tue, was außerhalb meiner Berechenbarkeit liegt. Jeder hat das Recht auf schöne Erlebnisse. Und ein echter Freund freut sich einfach mit. Ohne Wenn und Aber.
Freundschaft ist, wenn du dich nicht verstellen musst
Meine Teenagerzeit war – wie sicher bei vielen anderen – nicht immer einfach. Vordergründig hing ich vielleicht tendenziell mit den Möchtegern-Cooleren rum, innerhalb dieser Kreise bot ich aber gefühlt immer eine Angriffsfläche. Weil ich mit Baggypants rumrannte, weil ich eine Boyband vergötterte, weil ich jahrelang in den gleichen Typen aus der Schule verliebt war, der schon nach zwei Monaten nichts mehr von mir wissen wollte. Und nie einen Hehl aus meinen Gefühlen gemacht habe. Lästereien waren da an der Tagesordnung.
Meine Schlussfolgerung damals war, dass mit mir was nicht stimmen konnte. Ja, ich bin vielleicht speziell sensibel und das wirkt auf rational gepolte Menschen, die ein Problem mit Schwäche haben, eher befremdlich. Heute weiß ich aber: Das ist nicht mein Problem. Man muss sich nur mit den richtigen Menschen umgeben, die das zu schätzen wissen. Und auch diese Seiten an mir wohlwollend annehmen, ohne sie zu bewerten.
Interessanterweise bin ich heute noch mit genau einer der Personen aus diesem Kreis gut befreundet. Und zwar mit derjenigen, die sich auf den ersten Blick am meisten von mir unterschied. Lange Haare, E-Gitarre, ich verbrachte lange Abende bei fürchterlichen Indierock- Konzerten, auf die ich heute niemals mehr gehen würde. An diesen und anderen Oberflächlichkeiten maß sich damals die Tiefe der Freundschaften.
Was ich sicher ahnte, aber nicht wusste: Dieser Mensch tickte schon damals sehr ähnlich wie ich. Heute sprechen wir über unsere Liebe zur Musik – auch wenn sich die Richtung nach wie vor unterscheidet -, über die eiskalte Arbeitswelt, in der wir beide nur schwer zurechtkommen und welche Ansätze für uns sinniger wären. Und haben gleichzeitig unsere alten Geschichten von früher, die eine unumstößliche Basis mit sich bringen, die uns keiner nehmen kann.
Das Wichtigste für mich aber ist: Trotz aller Unterschiede habe ich in keiner Sekunde das Gefühl, bewertet zu werden. Und merke, wie auch ich komplett davon ablassen kann, sobald mir keinerlei Negativität und dafür, trotz aller Unterschiede, echtes Interesse für die Dinge, die mich bewegen, entgegenschlägt. Manche Freundschaften viben einfach anders als andere. Leichter, vorbehaltsloser.

Wie aber schafft man es, nur noch solche Freundschaften zu haben?
Leider ist die Antwort: Gar nicht. Es sei denn, man beschränkt seine Kontakte auf diese seltenen, einhornartigen Wesen.
Meine Antwort darauf ist, dass es nicht nur einen Menschen geben kann, der alle Facetten meiner Persönlichkeit widerspiegelt. Und das muss auch nicht sein. Wichtig ist, dass ich mich mit all meinen Ängsten, Macken, den Dingen, die mir wichtig sind und die mich glücklich und unglücklich machen, ernst genommen fühle. Und auch respektiert werde, wenn ich eine Grenze setze.
So wie neulich in meiner Instastory, in dem Beispiel des Trauzeugen, der es so lustig fand, den einzigen Wunsch des Bräutigams – nämlich nicht an den Ballermann zu fliegen – einfach ignoriert und genau selbiges für den Junggesellenabschied organisiert hat. Offenbar amüsiert von einem drei Tage lang wütenden „besten Freund“. Sadismus at its best. Und weiter weg von Freundschaft als alles andere.
Grenzen setzen. Und wenn das nicht hilft, gnadenlos aussortieren. Und mich doch lieber an den wenigen Einhörnern in meinem Leben erfreuen.
Ich arbeite dran.
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