Seit einer Stunde sitze ich mit Sybille im Café. Seit einer Stunde erzählt mir Sybille, wie schrecklich ihr Leben ist und wie furchtbar ihre Kollegen und dass alle immer nur auf ihr herumhacken. Wieder einmal, denn diese Themen kenne ich bereits zur Genüge. Ich merke, wie anstrengend ich dieses Gespräch empfinde und wie negativ es mich beeinflusst. Als ich zwischendurch etwas von mir erzählen möchte hört sie mir gar nicht richtig zu und schwenkt schnell wieder zu ihren Themen. Am liebsten würde ich einfach aufstehen und gehen. Aber das macht man ja nicht, wenn dir jemand sein Leid klagt. Oder?

Sybille ist nur ein Beispiel für Menschen in meinem Leben, die viel Raum für sich beanspruchen, aber nicht bereit sind, diesen Raum auch mir, beziehungsweise anderen zu geben. Begegnungen mit ihr sind häufig auslaugend und mit negativen Gefühlen verbunden, so, als hätte dir diese Person deine ganze Energie ausgesaugt. Nicht selten ärgere ich mich im Nachhinein, überhaupt Zeit mit ihr verbracht zu haben.
Ich bin mir sicher, auch du kennst mindestens eine „Sybille“. Jemand, der permanent deine Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, ohne dabei darauf zu achten, wie deine Bedürfnisse oder Gefühle gerade sind. Dir vielleicht sogar ein schlechtes Gewissen macht, wenn du nicht ständig als Empfänger seiner Botschaften zur Verfügung stehen willst. Jemand, der seinen Frust und seine schlechten Gefühle auf dich abwälzen will.
Du kennst auch so jemanden? Dann ist diese Person ziemlich wahrscheinlich ein Energievampir. Eine Person, die dauerhaft negativ auf andere einwirkt, deren Energie raubt und ihr Gegenüber manchmal sogar psychisch krank machen kann.
Natürlich ist nicht jeder Mensch, von dem wir mal genervt sind, direkt ein Energievampir. In jeder zwischenmenschlichen Beziehung gibt es Höhen und Tiefen, egal ob in der Freundschaft, in der Partnerschaft, der Familie oder im Arbeitsumfeld. Stellt man sich eine Wage vor, so darf diese natürlich in die ein oder andere Richtung kippen, im Idealfall sollte sie aber auch regelmäßig im Gleichgewicht stehen. Bekommt die Beziehung jedoch eine permanente Schieflage und die eine Seite fordert ständig die Hilfe und Aufmerksamkeit der anderen Seite ein, dann spricht man von einem Energievampir.
Wie erkenne ich einen Energievampir?
Der Energievampir ist nicht immer direkt auf den ersten Blick zu erkennen. Schließlich kommt er nicht mit aschfahlem Gesicht und schwarzem Umhang um die Ecke. Vielmehr ist er oft charismatisch und eloquent, also durchaus nicht unsympathisch – zumindest im ersten Moment.
Er benutzt seine Überzeugungskraft oder streut Unsicherheiten, um sein Opfer zu kontrollieren. So wie der Kollege, der unbedingt deine Unterstützung für sein Projekt benötigt. Sobald du ihm dann hilfst, bleibt plötzlich die ganze Arbeit an dir hängen. Er lehnt sich zurück und du machst Überstunden, um den Projekterfolg nicht zu gefährden, der auf wundersame Weise zu deiner Verantwortung geworden ist. Der Energievampir manipuliert und setzt gezielt das Mittel „Angst“ ein.
Auch um mich flog lange Zeit so ein Energievampir herum. Eine Person, die sich nur dann für mich interessierte, wenn ich ihr von Nutzen war. Der Anspruch, den sie an mich hatte, war groß. Es wurde gerne von ihr eingefordert, wollte ich im Gegenzug etwas von ihr haben, hatte sie immer „unglaublich viel“ zu tun, so dass sie sich nicht um meine Belange kümmern konnte. Vielmehr machte sie mir noch ein schlechtes Gewissen, dass die Ergebnisse, die wir gemeinsam erzielen wollten, nicht zufriedenstellend seien und brachte mich so immer wieder in eine Situation, mich rechtfertigen zu müssen.
Nach Treffen und Gesprächen mit ihr hatte ich regelmäßig schlechte Laune und der Austausch strengte mich psychisch wie physisch extrem an. Das ging bis hin zu Magen- und Kopfschmerzen, wenn ein Thema mit dieser Person bevorstand oder ich es für mich nacharbeiten wollte.

Der Energievampir reflektiert dieses Handeln und Wirken auf andere nicht und bemerkt die Einseitigkeit dieser Beziehung selten. Vielmehr sieht er sich selbst als Opfer und weist Kritik in seine Richtung vehement von sich.
Hilflos ausgeliefert?
Ich habe mir lange überlegt, wie ich zur Zielscheibe dieser Person wurde. Gibt es einen bestimmten Typ Mensch, den der Energievampir als seine Opfer auserkürt? Heute weiß ich, dass es nicht Menschentypen, sondern bestimmte Verhaltensweisen sind, die ihn anziehen. Empathie spielt dabei eine große Rolle. Ich selbst habe oft das Bedürfnis, anderen Menschen helfen zu wollen. Wie ich finde, erst einmal keine schlechte Eigenschaft, aber für den Energievampir natürlich der perfekte Ansatzpunkt, um sich in mein Leben zu schleichen. Es brauchte eine ganze Weile bis ich erkannte, wie meine Gutmütigkeit und Unterstützung ausgenutzt wurden, um die eigenen Interessen des Energievampirs zu platzieren und durchzusetzen.
Nicht selten werden auch Menschen, die sich selbst unsicher fühlen oder sehr verletzlich sind zu Opfern. Der Energievampir versteht sich sehr gut darauf, eine emotionale Abhängigkeit zu erzeugen, um immerfort Unterstützung für sich und seine Themen einzufordern.
Wie werde ich ihn wieder los?
Knoblauch hilft nicht, das kann ich sicher sagen. Ich habe es mit einem Mittagessen beim Griechen probiert. Aber Scherz beiseite. Die beste Methode einen Energievampir loszuwerden ist, sich von ihm fernzuhalten. Doch das ist oft leichter gesagt als getan. Je nachdem, in welcher Beziehung man zueinander steht, kann man sich nicht immer aus dem Weg gehen. Zum Beispiel wenn der Energievampir aus der Kollegschaft oder der eigenen Familie kommt. Denn will man nicht direkt seinen Job kündigen oder kann den Kontakt zur engergiesaugenden Tante Else nicht abbrechen, weil man sonst den netten Onkel Hubert nicht mehr besuchen kann, hilft nur eins:
Klare Grenzen setzen!
Dafür braucht es im ersten Moment eventuell etwas Übung, denn das bewusste Abgrenzen zu einer Person kann ganz schön schwierig sein. Das Wort „NEIN“ fällt vielen von uns bereits in anderen Situationen schwer. Bei jemandem wie dem Energievampir, der es bewusst darauf anlegt, etwas von uns zu bekommen (und nicht nur höflich danach fragt), kostet es am Anfang vielleicht etwas Überwindung. So ging es mir zumindest.

Wichtig finde ich dabei, sich nicht in Ausreden zu flüchten, warum man gerade etwas nicht für ihn tun kann, sondern ganz klar zu formulieren, dass man es nicht tun will. Dazu gehört auch das höfliche, aber bestimmte Beenden eines Gesprächs, wenn dieses sich nicht gut anfühlt.
Ein weiteres Mittel, um Distanz zwischen sich und den Energievampir zu bringen ist es, damit aufzuhören, Aufmerksamkeit und Verständnis für ihn aufzubringen. Denn wenn er merkt, dass er bei dir keinen Nährboden mehr für seine Themen hat, wird er schnell das Interesse an dir verlieren. Das geht auch oft mit dem klar formulierten „NEIN“ einher.
Mir hat tatsächlich die Mischung aus allem geholfen meinen Energievampir loszuwerden. Und ab jetzt passe ich sehr genau auf, wem ich meine Energie widme und dass ich von dieser Person auch positive Energie zurück bekomme.
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