Der Begriff „Selbstliebe“ wurde in den vergangenen Jahren durchgekaut wie ein alter Kaugummi und irgendwie genau so schmeckt er mittlerweile auch. Du sollst dich selbst lieben, auf dich acht geben. Deinen Bedürfnissen Zeit und Raum einräumen. Also wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme, dann räume ich maximal das Geschirr vom Morgen in die Spülmaschine ein. Oder alternativ die vor zwei Tagen gewaschene Wäsche aus, die ich in der Maschine vergessen habe und die langsam anfängt zu muffeln. Und wenn mir meine Kinder dann noch mitteilen, dass sie unmittelbar JETZT sterben werden, wenn sie nicht SOFORT etwas zu essen bekommen, dann sind das die Momente, in denen ich echt wenig Zeit habe, mich selbst zu lieben.
Ich träume dann auch nicht von duftenden Badewannen, gefüllt mit Rosenblättern, um endlich mal wieder vier Stunden ausgiebig im Milchbadeschaum vor mich hin zu schrumpeln. Nein, in solchen Momenten sehne ich nur noch den Abend herbei und den Moment, an dem meine Kinder endlich eingeschlafen sind. Und wenn der Moment gekommen ist, dann lege ich selten Vivaldi auf, um bei einem guten Glas Rotwein über das Leben zu philosophieren, sondern liege kaputt mit einer Tüte Chips auf dem Sofa und hoffe, dass das TV Programm nicht zu viel aktives Mitdenken von mir einfordert.

Ich liebe meine Kinder, aber…
Einige werden jetzt sagen, dann tu doch was für dich, wenn deine Kinder im Bett sind. Aber der Urlaub auf einer einsamen Insel, ungestört von Kindergemotze und dreckiger Wäsche ist leider nicht von 20:34 – 6:17 Uhr buchbar.
Da helfen dann auch keine schlauen „do-more-of-what-makes-you-happy“ Weisheiten, weil man eben nicht immer tun kann, was einen gerade happy machen würde. Vielleicht sollte es eher heißen: „do-less-of-what-makes-you-unhappy“. Ich kenne Mütter, die schon lange keinen entspannten, oder überhaupt, Urlaub mehr hatten, die seit Monaten nicht mehr ausgeschlafen haben oder sich zwischen Job und Familie zerreißen und dabei komplett auf der Strecke bleiben. Das kann viele Gründe haben. Die dazugehörigen oder respektive fehlenden Partner:innen spielen dabei oft auch eine entscheidende Rolle, aber das ist wieder ein anderes Thema.
Und seien wir doch mal ehrlich, selbst wenn man sich irgendwie 30 Minuten Me-time mit Füße hochlegen und einer Tasse Kaffee freischaufeln kann, dann kompensiert das keine anstrengende Woche mit zu wenig Schlaf und zu viel Arbeit. „Nimm dir doch einfach mal Zeit für dich“ klingt zwar verlockend, ist aber in der Realität oft verdammt schwierig umzusetzen, weil das echte Leben nebenher ungebremst weiterläuft.

Und genau an dieser Stelle merke dann auch ich immer wieder, dass ich mitten drin bin im Dilemma. Ich weiß genau, dass ich zwischendurch runterfahren sollte, mich mal nur um mich kümmern und zuhören, was die Stimme aus dem Bauch dem Hirn so alles zuruft. Gleichzeitig sitzt da aber dieser hässliche Troll in meinem Nacken, der mich antreibt: Wenn du das jetzt liegen lässt, dann machst du morgen das Doppelte. Wie dumm von dir…hahaha“. Es gibt diese Momente in meinem Mutterleben, da möchte ich einfach mal kurz nicht „die-Mutter-von“ sein, sondern ganz selbstbestimmt und ohne Rücksicht auf andere, Dinge tun. Oder auch fühlen. Ohne schlechtes Gewissen. Wie war das noch mit der Selbstliebe? Wirklich, ich liebe meine Kinder, aber…
Eigentlich ist ja schon dieser Satzanfang der Inbegriff einer Entschuldigung. Er impliziert, dass ich mich für alles, was nach dem „ABER“ steht, bereits im Vorfeld entschuldigen muss. Warum eigentlich?
Ich bin mir sicher, vielen Müttern würden zig Dinge einfallen, mit denen sie den Satz „ich liebe meine Kinder, aber…“ beenden könnten.
…ich würde gerne mal wieder in einen Urlaub fahren, in dem nur Erwachsene dabei sind.
…ich möchte mich auf meine Karriere konzentrieren.
…ich brauche noch andere Gesprächsthemen als Kinderkrankheiten und Schulprobleme.
…ich will nicht nur als Mutter wahrgenommen werden.
Die Liste der Satzendungs-Möglichkeiten ist lang. Und bei jeder schwingt leise das schlechte Gewissen mit. Warum ist das so? Warum fühlen wir Mütter uns so oft schlecht, wenn sich unsere Gedanken nicht ununterbrochen, wie ein Komet um die Sonne, um unsere Kinder drehen? Und gleichzeitig fühlen wir uns schlecht, weil wir eigentlich viel zu wenig Zeit für unsere eigenen Bedürfnisse einräumen. Wie gesagt, ich spreche aus Erfahrung.
Egoismus vs. Selbstliebe
Denn während ich, Chipstüten-haltend auf dem Sofa liege, überkommt mich auch schon wieder das schlechte Gewissen. „Hätte ich nicht doch noch eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen sollen?“ oder „hätte ich nicht noch ein halbes Stündchen bei den Kindern im Bett liegen bleiben sollen, anstatt zu sagen, jetzt ist Feierabend, schlaft schön, gute Nacht“?
Wenn ich tief in mich hineinhorche und ganz ehrlich zu mir bin, dann weiß ich „nein, hätte ich nicht“, denn ich hatte schlichtweg keine Lust mehr dazu, weil ich kaputt bin. Und das ist auch okay. Selbstliebe und so. Ich bin nicht egoistisch, ich räume meinen Bedürfnissen ein Plätzchen ein. Auch wenn es nur auf einer Chips-verbröselten Couch ist. Gleichzeitig tippt mir der blöde Troll schon wieder auf die Schulter. „Na, du hast es aber gemütlich, gäbe es da nicht noch einiges zu tun, hä?“ Tja, es ist eben doch nicht so einfach, dieses „do-more-what-makes-you happy“. Aber ich arbeite dran.
Und wenn ich es dann öfter schaffe, den hässlichen Troll aus meinem Nacken im Keller bei der dreckigen Wäsche einzusperren, dann klappt’s vielleicht auch mal mit der einsamen Insel. Na gut, fangen wir mit der Tasse Kaffee und den hochgelegten Füßen an. Man muss ja Ziele haben.
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