Ü40, das bedeutet, die zweite Hälfte des Lebens hat begonnen. Irgendwie ein beängstigender Gedanke – Halbzeit – puh, hatte ich nicht gerade noch viel mehr Zeit auf der Uhr? Natürlich habe ich Gedanken wie: Was habe ich bis jetzt erreicht? Was hätte ich besser machen können? Wo soll die Reise noch hingehen? Wenn ich dann aus meiner Gedankenblase herausblicke und sehe, welche Themen tatsächlich mit der „großen 4“ in Zusammenhang gebracht werden, weiß ich manchmal nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
Mode, Beauty, Kochrezepte – gerne, aber nicht zu flippig bitte
Google ich “Frauen Ü40”, stoße ich auf zahlreiche Artikel, die mir “lebenswichtige” Ratschläge für mein Leben im “fortgeschrittenen Alter” geben. Besonders beliebt sind die Kategorien Mode, Frisuren und Ernährung, in denen man mir genauestens erklärt, was mir jetzt „noch steht“ und was ich lieber lassen sollte. Ich gebe zu, auch mein Geschmack bei vielen Dingen hat sich in den letzten vier Jahrzehnten verändert, aber ich frage mich trotzdem, woher die alle so genau wissen, was für mich ab 40 das Beste ist.

Der Rock sollte nicht zu kurz, die Haare nicht zu lang, die Schuhe nicht zu hoch und das Essen nicht zu fettig sein. Vielen Dank für diese wertvollen Tipps. Wer legt denn diese hilfreichen Richtlinien eigentlich fest, die wie ein ungeschriebenes Gesetzt für Ü40 Ladies zu gelten scheinen? Gibt es in den Redaktionen eine Spezialeinheit “Reife Frauen ab 40”, mit der Mission uns vor fatalen Mode- und Frisuren Fehlern zu bewahren? “Also mit 39 ist die Boyfriend Jeans ja noch okay, aber ab 40 dann doch bitte Mom Fit.”
Apropos Mom. Als Frau mit Kindern, habe ich oft das Gefühl, über den Status “Mutter” überhaupt nicht mehr hinauszukommen. Hast du Kinder auf diese Welt gebracht, werden mit dir automatisch alle mütterlichen Attribute assoziiert. Man erwartet von dir Geduld, Aufopferung und grenzenlose Liebe. Sicher aber nicht eine biertrinkende Frau, die am Donnerstagabend um die Häuser zieht und Minirock trägt. Mit Ü40 ist der Zug dafür eh schon längst abgefahren. Sowas ziemt sich in diesem Alter nicht und als Mutter schon zweimal nicht. AMEN.
Willkommen in der Ü40 Lebensmittekrise
Zwischen eingeblendeter Werbung für Faltencremes, Wundermitteln gegen Beschwerden in der Menopause und Binden für Blasenschwäche (danke Herr Zuckerberg, dass auch Sie wissen, was ich brauche!), überlege ich, was mich in meiner “Lebensmittekrise” eigentlich wirklich bewegt.
Ich gebe zu, es könnten schon ein paar Kilo weniger auf der Waage sein, mein Körper ist nach zwei Schwangerschaften insgesamt nicht mehr so in Shape, wie mit 30 und meine Haare sind mittlerweile unter der Tönung sehr grau. Aber sorry, wir können nicht alle Beyoncé sein. Ich finde es viel schlimmer, wenn Frauen Ü40 an diesen Idealen gemessen werden und Sätze wie “Für ihr Alter sieht sie aber noch gut aus” fallen. Ich bin der Meinung, für Schönheit gibt es kein Verfallsdatum. Mir egal, wie kitschig das klingt.

Natürlich verändern wir uns mit dem Alter, bekommen Falten, vielleicht einen dicken Hintern. So what? In unseren 40ern sollten wir Frauen lieber danach streben, innerlich gesettelt zu sein, anstatt irgendwelchen Beautytrends hinterher zu hecheln. Eine Stirnfalte lässt sich botoxen, aber wenn das Innerste in Falten liegt… Oha, jetzt wird’s zu philosophisch. Ihr wisst schon was ich meine.
Ich fühle mich von all diesen “altersgerechten” Themen der Körperoptimierung, den Moderatgebern und Verhaltensempfehlungen einfach nicht abgeholt. Für mich als Frau mittleren Alters und als Mutter muss doch noch mehr drin sein, als das Bedürfnis, den körperlichen Verfall irgendwie aufhalten zu wollen und dabei dem Rest der Gesellschaft möglichst nicht unangenehm aufzufallen.
Zuerst tut es weh, doch dann kommt ein Gefühl der Freiheit
Ich kann von mir sagen, ich war noch nie so sehr im Reinen mit mir selbst wie jetzt. Das bedeutet nicht, dass mich nicht auch Ängste und Sorgen umtreiben, aber ich kann mich und meine Fehler besser akzeptieren. Die große Überschrift “40” hat bei mir viele, anfangs nicht immer einfache, Prozesse angestoßen. Nicht weil ich mich plötzlich alt fühle, sondern weil ich viel intensiver darüber nachdenke, was ich eigentlich will, und vor allem, was ich nicht will.
Zum Beispiel habe ich die Vorstellung, jedem gefallen zu müssen, in den letzten Jahren immer mehr abgelegt und gelernt es auszuhalten, wenn jemand mich oder das, was ich tue, nicht mag. Viele sagen immer, es sei ihnen egal, was andere von ihnen denken, aber wenn man tief in sich hineinhört, sieht die Wahrheit oft anders aus. Hat man diesen Punkt aber erst einmal erreicht, stellt sich ein gewisser Grad von innerer Freiheit ein. Und der lässt sich dann auch auf andere Bereiche ausweiten, wie beispielsweise das Tragen einer Hose, die für 25-jährige konzipiert wurde.
In meinem Leben habe ich schon einige Kurskorrekturen vorgenommen, zwischenmenschlich, beruflich, aber auch was ideelle Inhalte angeht. Und jetzt im Moment fühle ich mich sehr bei mir selbst angekommen. Und das ist es, worum es meiner Meinung nach tatsächlich geht. Ums „bei sich selbst ankommen“. Ohne dabei durch irgendwelche Beauty, Fashion, Food Tipps zur Glückseligkeit gelangen zu wollen. Denn, Achtung, jetzt kommt noch so ein Postkartenspruch: Your inner beauty never needs makeup.
Ü40 sollte keine Hürde, sondern eine Selbstverständlichkeit sein. Ich will nicht “trotz” meiner 41 Jahre eine interessante Frau sein. Will nicht über Themen “ab” 40 sprechen. Lasst uns nicht so tun, als wäre mit einer Zahl plötzlich alles ganz anders. Dinge, die mich davor interessiert haben, sind doch jetzt nicht plötzlich uninteressant. Ich stelle mir vor, ich müsste mein Leben ständig einer Zahl anpassen, wie anstrengend!

Wer weiß, wie mein Leben in 10 Jahren aussieht. Ich will nicht ständig vor- oder zurückschauen, sondern einfach mal den IST-Zustand genießen. Que sera sera. Fernab von gesellschaftlichen Vorstellungen eines, meines Alters angemessenen Auftretens, möchte ich meine zweite Lebenshälfte so gestalten, dass ich für mich sagen kann, ich bin mir mir und meinem Leben fine. Ganz ohne Anti-Aging-Creme. Dabei werde ich sicher auch noch die eine oder andere dumme Entscheidung treffen, dafür ist man nie zu alt. Doch auch dann gilt, es nie im Leben zu spät für einen U-Turn.
Wie ist es bei dir? Was bewegt dich in deiner Lebensmitte? Bist du schon angekommen oder noch auf der Suche nach dir selbst?
Was der 40. Geburtstag emotional mit mir gemacht hat, kannst du in diesem Beitrag nachlesen: Der 40. Geburtstag – Houston wir haben ein Problem! – Single meets Mom
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