Erinnert sich noch jemand an StudiVZ, den quasi-Vorgänger von Facebook? Dort gab es immer Gruppen mit lustigen Namen. Eigentlich war ich nur dort, um in diese Gruppen einzutreten. Und nie irgendwas dort zu schreiben, sondern einfach nur, um sie in meinem Profil zu haben und damit ein Statement abzugeben.

Gut im Gedächtnis geblieben ist mit beispielsweise „War wieder Schminke in der Wendy?“. Oder eben auch „Disney hat mir ein unrealistisches Bild von Liebe vermittelt.“ Damals wie heute spricht mir das absolut aus der Seele. Und auch wenn ich mit meiner Boyband-Vergangenheit (ok, im Grunde auch -Gegenwart, an irgendwas muss man sich ja noch festhalten) immer noch im Team Romeo und Julia spiele, hat mich das Leben seit meiner Teenagerzeit doch etwas ernüchtert, was Beziehungen angeht. Die Backstreet Boys sind heute alle verheiratet und ziehen mit einem ganzen Stall voll Kindern um die Welt, wenn sie auf Tour sind. Da muss man sich zugegebenermaßen schon mal nach Alternativen umsehen.

Bedingungslos romantische Liebe: Gibt’s das überhaupt?

Ja, ich stehe immer noch auf gut erzogene Prinzen, die einem die Tür aufhalten, Blumen mitbringen und wenn’s nötig ist auch einen Drachen bekämpfen. Nur für mich. Aber seien wir doch mal ehrlich: Wo gibt’s das denn heute noch? Bedingungslos romantische Liebe, für die beide sofort sterben würden. Und die Frage ist: Gab es das denn jemals?

Letztens habe ich mal wieder Bridget Jones gesehen. Geht immer. Ein Film, der einem vermittelt, dass man auch unperfekt irgendwie ans Ziel kommt. Wobei sie zugegebenermaßen doch immer wieder falsch abbiegt. Aber die Message ist gut. Und hat mir früher immer Mut gemacht. Weil die leicht pummlige alte Jungfer mit ihren 32 doch noch einen abgekriegt hat. Ok. Inzwischen bin ich 41 und kann darüber nur noch milde lächeln. Und auch darüber, wen sie abkriegt. Mark Darcy. Den mit dem Rentierpulli. Naja. Immerhin ist er Anwalt und so.

Als ich einen der Filme vor ein paar Wochen zum letzten Mal gesehen habe, ist mir was aufgefallen. Vielleicht erinnert sich jemand an die Szene, in der Bridget Mark verdächtigt, sie mit einer Kollegin zu betrügen. Sie hält es zuhause nicht mehr aus, fährt zu ihm und steht dann plötzlich vor seinen sämtlichen Anwaltskollegen bei ihm in der Wohnung. Im Schlafanzug.

Mein Romantic-Comedy-Ich findet das natürlich erstmal total niedlich und auch irgendwie nachvollziehbar. Sie ist eben unsicher. Und dabei ist er doch so ein toller Mann, der sie nie betrügen würde. Als ich aber mal einen Schritt zurück gemacht und mir vorgestellt habe, wie das wirken würde, wenn man das in der Realität durchzieht, ist mir kurz ein bisschen übel geworden.

Bridget Jones ist doch irgendwie ein Fall für den Psychodoktor.

Die Alte steht quasi in Unterwäsche vor seinen Kollegen und macht eine Szene, weil sie krankhaft eifersüchtig ist. Ähm. Mindestens ein Grund, die Beziehung mal zu überdenken, wenn nicht einer für den Psychologen. Gut, man könnte jetzt nochmal zurückspulen und nachsehen, ob Mark Darcy ebenfalls seinen Teil zu diesem Affentheater beigetragen, indem er zweideutig mit der Kollegin geflirtet oder sich sonstwie verdächtig gemacht hat. Im Grunde ist das aber egal, denn offensichtlich stimmt in dieser Beziehung was ganz gewaltig nicht.

Frauen wie ich, die nach wie vor nach der Disney-Beziehung lechzen, weil sie damit groß geworden sind, werden hier also systematisch hinters Licht geführt. Was als Romantik verkauft wird, ist das Abbild einer toxischen Beziehung mit Verfolgungswahn.

Und was passiert im Märchen eigentlich nach der Hochzeit?

Da darf man sich schon mal fragen: Was ist eigentlich mit Cinderella und dem Prinzen nach der Hochzeit passiert? Es heißt ja immer nur „Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende.“ Vielleicht haben sie ja nach 3 Jahren die Scheidung eingereicht, weil der Herr Prinz lieber den Abend mit Robin Hood und seinen Räubern in der Bar verbracht hat? Oder mit Rotkäppchen durchgebrannt ist. Das, liebe Freunde der gepflegten Fiktionsunterhaltung, verschweigen uns die Gebrüder Grimm und ihre Lügenkumpels von Disney/Pixar nämlich. Bei einer Scheidungsrate von über 30% ist es doch gar nicht möglich, dass jede Märchenehe bis ans Ende aller Tage gehalten hat.

Sind wir also alle einem riesigen Betrug aufgesessen? Ist das etwa der Grund, warum ich noch Single bin? Weil ich das Disney-Bild der perfekten, romantischen Beziehung im Kopf habe, das so überhaupt nicht existiert?

Es stimmt. Wenn ich mich so umschaue, gibt es tatsächlich viele Beziehungen, bei denen ich insgeheim denke „Wie hält der es nur mit dieser Furie aus?“ oder „Ja klar, der Klassiker. Untersetzter Millionär mit Halbglatze in den 50ern und gebotoxte Mittzwanzigerin mit eigenem YouTube Kanal. Das ist wahre Liebe.“ Perfektionismus sucht man vergeblich. Irgendwas ist immer.

Aber irgendwie weigere ich mich, die Vorstellung von einer romantischen Beziehung komplett aufzugeben. Ja natürlich, man muss realistisch bleiben, Liebe ist tägliche Arbeit und so. Und der Markt ist ja jetzt mit Ü40 auch nicht mehr überschwemmt von tollen Kerlen. Trotzdem glaube ich immer noch daran, dass selbst in einer Beziehung, die für mich von außen total Banane aussieht, irgendwas sein muss, das die Paare zusammenhält. Gut, manchmal ist es Geld. Oder die Angst, keinen anderen mehr abzukriegen.

Cinderella von Disney schwarz weiß
War’s vielleicht auch bei Cinderella schon mehr als 5 vor 12 und sie ist nur deswegen beim Prinzen geblieben? Man weiß es nicht.

Doch irgendwas muss da ja sein, das einen abseits der Romantik, die nur in den seltensten Fällen noch nach Jahren vorhanden ist, immer wieder „ja“ zu dieser Beziehung sagen lässt. Um das anzuzweifeln, glaube ich zu sehr an das Gute im Menschen. Und auch wenn ich es manchmal nicht nachvollziehen kann, ist es für jemand anderen vielleicht tatsächlich die Beziehung, die ihm oder ihr genau das gibt, was er oder sie braucht.

Und vielleicht gibt es ja irgendwo auch noch jemanden wie mich, der trotz allen Realitätssinns den Glauben an ein bisschen Romance noch nicht verloren hat. Bridget Jones lässt sich ja schließlich auch mit Ü40 noch vermeintlich von Patrick Dempsey schwängern, der ihr die Sterne vom Himmel holen würde. Es gibt also noch Hoffnung.

Am Ende bleibt einem wenigstens eins: Der Schuh. Schuhe stellen keine Fragen. Schuhe verstehen.

Und während ich warte, schmeiß ich meinen CD-Player, pardon, mein Handy an und höre Backstreet Boys. „I don’t care who you are, where you’re from, what you did. As long as you love me.” Ok, das ist halt auch wieder gelogen. Aber die Vorstellung ist einfach zu schön.


Seid ihr auch Team Romantik? Und hat euch das Leben diesen Zahn auch schon gezogen? Oder geht ihr Beziehungen eher pragmatisch an?

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