Die schrecklichsten Worte, die ein Frauenarzt zu einer schwangeren Frau sagen kann, sind: „es tut mir sehr leid“. Fünf kleine Worte, die in einem anderen Zusammenhang wunderschön sein können, aber aus dem Mund eines Arztes grausam klingen. Auch ich kann diesen Moment nicht vergessen, als mein Arzt sie zu mir sagte. Den Moment, in dem mir abwechselnd heiß und kalt wurde, ich wie elektrisiert auf dem Untersuchungsstuhl lag und dachte, ich habe die Worte sicher falsch verstanden. Und dann sagte er sie noch einmal. „Es tut mir sehr leid.“
Aber ich muss weiter vorne anfangen. Es war im Jahr 2016. Sommer. Ich war zwei Jahre vorher Mutter einer wundervollen Tochter geworden und zum zweiten Mal schwanger. Beim zweiten Kind wird man entspannter. Man weiß schon, was auf einen zukommt. Kennt die Veränderungen, die ein Körper während einer Schwangerschaft durchmacht und weiß, was einem gut tut. Ich hatte das Gefühl, man sieht mir die Schwangerschaft auch schon viel früher an. Mein Bauch wuchs schneller als beim erstem Mal. Ich weiß, dass es Leute gab, die Vermutungen anstellten, mich aber nicht darauf ansprachen.
Und für einen winzigen Moment bleibt die Welt einfach stehen
Ich war etwa in der 11. Schwangerschaftswoche, als ich bei meinem Frauenarzt für eine normale Kontrolluntersuchung war. Mein Mann begleitete mich. Und da lag ich also. Der Arzt führte den Ultraschall durch. Tippte immer wieder auf dem Gerät herum, veränderte Einstellungen. Es dauerte länger als gewöhnlich und in mir wuchs eine Unruhe, die sich im Nachhinein schwer beschreiben lässt. Irgendwann schaute mich der Arzt an und sagte sie, die furchtbaren Worte: „Es tut mir sehr leid. Ich kann keinen Herzschlag feststellen“.
Was ich im nächsten Moment dachte, weiß ich nicht mehr. Ich sah meinen Mann an, der genauso überrumpelt war wie ich. Ein dumpfes Gefühl machte sich in meinem Kopf breit. Meine Gedanken verschwammen. Ich stand einfach da und die Welt für einen winzige Moment stehen.

Ich weiß nicht mehr, ob wir auf der Heimfahrt sprachen. Kann mich nur noch bruchstückhaft an die Stunden nach der Diagnose erinnern. Ich konnte nicht einmal weinen, war einfach nur leer und wusste nicht, wie ich mit der Situation umgehen sollte. Eine Fehlgeburt, die ja streng genommen keine war, denn das Kind war ja noch in meinem Körper. Ich hatte keine Blutungen, keine Schmerzen. Nichts.
Von anderen Frauen, die auch eine Fehlgeburt erlitten hatten, erfuhr ich später, dass sie sich fragten, was sie wohl in dem Moment taten, als das Herz ihres Kindes aufhörte zu schlagen. Ob sie gerade lachten, Wäsche wuschen oder einfach auf dem Sofa lagen. Und ob sie es hätten verhindern können. Diese Gedanken hatte ich nicht. Woran ich dachte war, dass ich mit niemandem darüber sprechen wollte, außer mit meinem Partner. Nicht aus Scham, sondern weil ich kein Mitleid ertragen hätte. Keine nett gemeinten Worte, die eigentlich doch nicht trösten können. Ich wollte mich nicht erklären oder davon erzählen müssen. Ich wollte einfach in Ruhe gelassen werden.
Als ich einen Tag später in der Klinik lag, um die Ausschabung vornehmen zu lassen, war ich allein. Mein Partner durfte mich nicht begleiten, weil ich in einem Raum mit mehreren Patientinnen auf meinen Eingriff warten musste. Ich weiß nicht, warum diese Frauen hier waren, ob aus demselben Grund oder etwas ganz anderem. Aber plötzlich fühlte ich mich furchtbar einsam. Das war der Moment, in dem die ganze Trauer über mich hereinbrach. Ich hatte mein Kind verloren. Es hatte noch keinen Namen und war vermutlich nicht größer als 3 oder 4 cm. Aber es war ein Teil von mir. Und ist es immer noch.
Tabuthema Fehlgeburt
Rein statistisch verliert jede dritte Schwangere ihr Kind. Jeder von uns kennt also unter Garantie eine Frau, die schon einmal ein Kind verloren hat, oder ist selbst eine dieser Frauen. Wie Frauen mit diesem Thema Fehlgeburt umgehen ist sehr unterschiedlich. Ich habe lange nicht darüber gesprochen. Musste erst für mich selbst meinen Frieden damit schließen, ohne, dass mir jemand seine Meinung dazu, sei sie auch noch so gut gemeint, mitteilte.
Es gibt Frauen, die mit diesem Thema weitaus offener umgehen. In manchen sozialen Netzwerken findet man Profile, die sich mit „Sternenkind-Mama oder ähnlichem beschreiben und für jeden sichtbar zeigen, was sie erlebt haben. Ich verurteile das nicht, im Gegenteil. Es ist gut, dass ein Thema wie die Fehlgeburt, das immer noch als Tabu in unserer Gesellschaft ist und oft hinter vorgehaltener Hand besprochen wird, mehr in den Mittelpunkt gerückt wird. Aber es war nicht mein Weg mit dem Verlust umzugehen.

Ich habe diese Fehlgeburt nie verschwiegen. Auch wenn es so klingen mag. Es gibt einige Menschen, mit denen ich später über meine Erfahrung gesprochen habe. Meist waren es Frauen, die ähnliches erlebt haben. Das tut gut und ich kann es nur jeder Frau in dieser Situation empfehlen. Auch wenn erst etwas Zeit braucht, um darüber zu sprechen, so wie es bei mir der Fall war. Irgendwann müssen diese Erlebnisse verarbeitet werden, sonst holen sie einen wieder ein. Denn nicht selten wird man im Alltag mit Fragen konfrontiert, die einen auf schmerzliche Weise daran erinnern, was passiert ist.
Beurteile nicht, ohne die Hintergründe zu kennen
Ich wurde wieder schwanger. 2018 bekam ich einen wundervollen Sohn. Fast vier Jahre nach meiner Tochter und zwei Jahre nach der Fehlgeburt. Und schon oft wurde in einem lapidar dahingesprochenen Satz erwähnt, dass der Altersunterschied zwischen meinen Kindern doch relativ groß sei. Solche Feststellungen werden nicht selten in die Welt posaunt, ohne die Begleitumstände zu kennen. Und jedes Mal wieder ärgere ich mich darüber. Ich unterstelle niemandem eine böse Absicht, aber etwas zu beurteilen, ohne die genauen Hintergründe zu kennen, kann sehr verletzend sein.
Und dabei spreche ich nicht nur von mir. Ist eine Frau kinderlos, wird sie ab einem gewissen Alter stetig darauf hingewiesen, dass irgendwann die biologische Uhr zu ticken beginnt. Hat sie nur ein Kind, stellt man ihr irgendwann die Frage nach einem zweiten. Ist der Altersunterschied zwischen den Kindern größer, naja, ich habe es ja schon erwähnt.

Ich kenne genug Frauen, die sich diesen Feststellungen und Fragen immer wieder stellen müssen. ? Es ist immer einfacher eine Situation von außen zu beurteilen. Was wirklich „im Inneren“ geschieht, sehen die wenigsten. Wir sollten uns bewusst machen, dass diese Fragen, und manchmal auch nur ein sorglos dahingesprochener Satz, für die andere Person furchtbar verletzend sein können. Besonders, wenn man sowieso schon mit der eigenen Situation hadert.
Heute kann ich über meine Geschichte sprechen. Aber es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich mir über meine Gefühle dazu im Klaren war und mich damit auseinandersetzen konnte. „Die Zeit heilt alle Wunden“. Auch wenn ich kein Fan solcher Zitate bin, in diesem Fall trifft es für mich persönlich zu. Es bedeutet nicht, dass man vergisst, denn auch eine verheilte Wunde kann eine Narbe hinterlassen. Es bedeutet für mich, dass ich das Erlebte als einen Teil meiner eigenen Geschichte annehmen kann.
Wenn du ähnliche Erfahrungen gemacht hast und dir die Verarbeitung des Erlebten schwer fällt, scheue dich nicht, Hilfe zu suchen. Manchmal dauert es eine Weile, über die Erlebnisse sprechen zu können. Aber du wirst merken, dass du nicht allein bist und es vielen anderen Frauen genauso geht.
Hast du die schlimme Erfahrung einer Fehlgeburt auch machen müssen? Dann erzähle mir davon, wenn du kannst und magst. Hier, auf Facebook, Instagram oder Twitter.
Es darf weiter kontrovers diskutiert werden bei diesem Beitrag:
Schwangerschaft: (k)eine Frage des Alters!?