Viele Frauen leben in der Vorstellung mit der Geburt eines Kindes ihr Leben zu vervollständigen. Dabei geben sie in ihrer Rolle als Mutter einen großen Teil ihres, bis dato autonomen Lebens her. Diese Erkenntnis ereilte auch mich. Schleichend, obwohl ich mich freiwillig und sehenden Auges auf das Muttersein eingelassen habe.
Dabei ist doch eigentlich nichts so unberechenbar und gleichzeitig so unumkehrbar wie das „in die Welt setzen“ eines Kindes. Egal was man im Vorfeld über das Muttersein gehört, gelesen, gelernt habt, es ist eine vollkommen neue, nicht für alle Mütter immer nur mit positiven Attributen belegte, Erfahrung. Und vor allem, sie ist nicht rücknehmbar. Es gibt kein 14-Tage Umtauschrecht bei Nichtgefallen, keine Scheidung, wie bei einer Heirat. Wer ein Kind bekommen hat, ist für den Rest des Lebens eine Mutter. Mindestens im biologischen Sinne.
Zwischen Autonomieverlust und Selbstzweifeln – welcome to Momlife
Und mit dem Tag der Geburt, eigentlich mit dem Tag der Empfängnis, geben Frauen einen großen Teil ihrer Autonomie für das Muttersein her. Es beginnt mit der Schwangerschaft, in der man seinen Lebenswandel an das ungeborene Leben anpasst. Kein Alkohol, keinen rohen Fisch (zumindest in unseren Gefilden), kein Nikotin. Durch das untrennbar an die Mutter gebundene Kind verändert sich das Leben einer Frau schlagartig. Zwar kann eine Schwangere immer noch auf dem Sofa faulenzend ihre Lieblingsserien bis in die Nacht schauen oder vollkommen entspannt durch einen Porzellanladen schlendern (die Mütter von Kleinkindern wissen, worauf ich hinaus will), aber dennoch beginnt sie ihre Autonomie aufzugeben.

Spätestens mit der Geburt des Kindes beginnt dann auch das Gedankenkino mit der Dauervorstellung des Filmes „eine gute Mutter sein“. In meinem Kopf spielt dieser Film seit der Geburt meiner Tochter vor 6 Jahren in Dauerschleife. In den Hauptrollen ich, als stets bemühtes Muttertier, das keinen Fehler machen will, um keine bleibenden Schäden am Kind zu hinterlassen. Wofür ich aber an sehr vielen Stellen meine eigene Autonomie aufgeben muss. In weiteren Hauptrollen meine beiden Kinder, die mich manchmal an den Rand des Wahnsinns treiben, weil sie ihre eigene Autonomie einfordern und mein Partner, der mich zwar sehr unterstützt, dieses Gedankenkarussell aber auch nicht zum Stehen bringen kann und in seiner Form als Vater seine eigene Autonomie genießt.
Warum schaffst du dir dann überhaupt Kinder an
Den immer wiederkehrenden Vorwurf, sowohl von Kinderlosen als auch Müttern, man hätte ja schließlich kein Kind bekommen müssen, um im Nachhinein über mangelnde Freiheit zu lamentieren, lasse ich nur zum Teil gelten. Die Frau, die genau wusste, auf was sie sich bei ihrem ersten Kind einlässt, wie müde und verzweifelt sie sein würde, wie viele Nerven ihr Kind sie kosten wird und vor allem, wie oft sie ihre eigenen Bedürfnisse hinten anstellen muss, diese Frau hebe bitte jetzt die Hand.
Seid ehrlich. Ihr wusstet es nicht. Ihr hattet vielleicht eine vage Vorstellung, aber ihr konntet nicht wissen, wie anstrengend es sein kann, eine Mutter zu sein. Bitte kein Mitleid. Vermutlich ist das ein Trick der Evolution, um uns vor dem Aussterben zu bewahren.

Fakt ist, hast du dich einmal für die Rolle der Mutter entschieden, gibt es kein Zurück mehr (lassen wir eine Adoption einmal außen vor). Ab diesem Zeitpunkt bist du, zumindest gedanklich, 24 Stunden am Tag eine Mutter. Und wird nicht auch automatisch ab diesem Zeitpunkt von einer Mutter erwartet, dass sie immer liebevoll, mitfühlend, umsorgend und verständnisvoll ist. Dass ihr Kind das Größte in ihrem Leben ist und sie glücklich macht?
Ich liebe meine Kinder, aber ich bin nicht immer glücklich. Wenn ich an meine Grenzen komme, werde ich laut und ungerecht. Ich habe nicht immer Lust auf dem Boden zu sitzen und zwischen Legosteinen und Barbies so zu tun, als würde es mir Spaß machen, Kinderspiele zu spielen. Manchmal spüre ich diesen Drang nach Unabhängigkeit. Einfach im nächsten Moment das tun zu können, worauf ich gerade Lust habe.
Es gibt keine Reset-Taste für Muttergedanken
Selbst wenn ich mein Kind zur Oma oder in den Kindergarten bringe, kreisen meine Gedanken immer irgendwo zwischen „was muss ich noch für die Familie einkaufen“, „schaffe ich mein Arbeitspensum, bevor meine Tochter aus der Schule kommt“, um mir im Anschluss Gedanken darüber zu machen, was wir dann zu Mittag essen. Und selbst wenn mein Partner zu Hause ist, einkaufen geht und das Essen kocht, dann sind es andere „mütterliche“ Gedanken, die mich beschäftigen. Und die lassen sich auch nicht einfach abstellen. Ich habe es versucht.
Es ist das Gefühl ständig von außen bestimmt zu werden. Funktionieren zu müssen. Verständnisvoll zu sein. Zeit haben zu müssen. All diese Dinge, die man von einer Mutter erwartet. Die ich von mir selbst als Mutter erwarte. Und läuft es nicht gut, stellt sich das schlechte Gewissen ein. Dieses Gefühl, als Mutter nicht genug zu tun. Und gleichzeitig selbst auf der Strecke zu bleiben. Ich merke, dass ich viel zu selten dazu komme, mich um mich selbst zu kümmern. Eigene Gedanken zu haben, die sich nur um mich drehen.
Viele raten einem dann Dinge wie: nimm dir Zeit für dich. Eine Auszeit. Leg dich in die Wanne und trink ein Glas Wein. Aber ist das die Lösung? Ein kurzer Moment der Erholung, bevor es am nächsten Tag im gleichen Trott weitergeht? Hat man dadurch nicht nur kurz die Stelle betäubt, in der der Stachel steckt?

Wie schafft man sich Raum für seine eigenen Bedürfnisse? Darf ich meinem Kind sagen: lass mich in Ruhe, ich bin gerade genervt. Ich habe keine Kraft deine Fragen zu beantworten oder ertrage das Geschrei aus dem Kinderzimmer nicht? Was macht das mit meinem Kind, wenn ich ihm ungefiltert meine Gefühle mitteile? Was macht es mit mir, wenn ich es nicht tue? Sollte dieses Kind nicht einmal mein Leben vervollständigen? Stattdessen spaltet es mich zwischen dem Wunsch nach Autonomie und dem Gefühl, als Mutter nicht versagen zu dürfen. Ich dramatisiere. Bewusst! Denn ich glaube, ich bin nicht die Einzige, die diese Gefühle kennt.
Und ich betone noch einmal, ich habe es nie bereut Kinder bekommen zu haben. Aber ich bereue es oft, dass ich nicht in der Lage bin meine eigenen Gefühle ernster zu nehmen und meine Bedürfnisse klarer zu kommunizieren. Auch meinen Kindern gegenüber. Man muss als Mutter nicht immer vor Glück taumelnd durch die Gegend laufen und so tun, als wäre immer alles einfach. Aber man sollte es schaffen, in seiner Rolle als Mutter, die eigenständige Frau hinter dem Ganzen nicht zu vernachlässigen. Ich arbeite dran…
Geht es nur mir so oder kennst du solche Gefühle auch? Wie hat sich dein Leben als eigenständige Frau durch die Kinder verändert?
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