Es ist 19:30 Uhr an einem Dienstagabend und wir sitzen gespannt vor unserem Laptop, um ein Online-KüchenTalk-Interview mit Andreas zu führen. Der sitzt, mit einer Stunde Zeitverschiebung, im zirka 12.800 km entfernten Südafrika, genauer gesagt im Gorah Elephant Camp und wählt sich in unseren Chat ein. Während bei uns im Hintergrund maximal die Waschmaschine rumpelt, hört Andreas vor seiner Tür Schakale und Hyänen, die im Schutz der Nacht aktiv werden.
Was für uns, nach deutschen Maßstäben, total außergewöhnlich klingt, ist für Andreas zur Gewohnheit geworden. Aber das war nicht immer so. Im beschaulichen Heiligenberg im Bodenseekreis großgeworden, arbeitete der heute 38-jährige Andreas, nach seinem Studium zum Diplom-Betriebswirt, elf Jahre in einer Bank in Wiesbaden. Heute ist er als ausgebildeter Safari-Guide in Südafrika und Simbabwe tätig. Das komplette Gegenteil seines vorherigen Lebens also. Aber wie kommt man dazu, seinen sicheren Job gegen ein großes Abenteuer auf einem anderen Kontinent zu tauschen? Und was haben Erdmännchen und eine Grundschule damit zu tun? Er hat es uns verraten.
Wie kam es zu deinem Entschluss, nach Afrika auszuwandern?
2002 war ich das erste Mal in Südafrika, um einen Schulfreund zu besuchen, der in einem Waisenhaus seinen Zivildienst geleistet hat. Ich war vier Wochen dort und das Land hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Mir war sofort klar, da muss ich wieder hin. Aber als Student hat man eben ich nicht die finanziellen Mittel, um mal eben so nach Afrika zu reisen und erst 2006 ergab sich eine neue Chance. Meine Mutter träumte schon lange von einer Safari durch die Serengeti, und da mein Vater unter großer Flugangst leidet, fragte sie mich, ob ich sie nach Tansania begleiten würde.
Von da an war ich im Safari-Fieber und nach meiner Rückkehr nach Deutschland informierte ich mich über die Möglichkeiten, eine Safari Guide Ausbildung zu machen. Allerdings dauert diese in Tansania 3 Jahre und ist sehr teuer. Und ich war zu diesem Zeitpunkt ja noch mitten im Studium. Darum habe ich die Idee schnell wieder auf Eis gelegt.
Doch Afrika ließ mich nicht mehr los. Es folgten weitere Reisen und bei einem späteren Trip nach Tansania und Kenia lernte ich 2012 jemanden kennen, der bei EcoTraining eine Safari Guide Ausbildung gemacht hatte. Und plötzlich war er wieder da, der Wunsch, selbst ein Safari Guide in Afrika zu werden. Die Ausbildung sollte ein Jahr dauern und war nicht gerade günstig, aber diesmal wollte ich Nägel mit Köpfen zu machen.
Ich war fest entschlossen, die Sache diesmal anzugehen. Also sprach ich mit meinem Chef, nahm ein Sabbatical und lieh mir Geld bei meinem besten Freund. Und dann war es endlich soweit, 2014/2015 startete ich meine Ausbildung zum Safari Guide.

Ein ganzes Jahr blieb ich in Afrika. Ich arbeitete in verschiedenen Camps in Botswana und absolvierte ein Praktikum als Guide in einer Lodge, um zu sehen, ob es mir überhaupt Spaß macht, Gäste durch einen Park zu fahren. Und es gefiel mir. Aber das Jahr war irgendwann vorbei und ich musste zurück nach Deutschland.
Nach Touren durch den Busch, Auge in Auge mit Elefanten, Löwen und Hyänen, saß ich wieder in meiner Bank und rechnete Zahlenkolonnen. Dabei wurde mir immer klarer, dass dies nicht das Leben war, das ich gerne führen wollte. Als mein Chef mir dann eines Tages zu meiner 10-jährigen Betriebszugehörigkeit gratulierte, legte sich bei mir ein Schalter um. Ich wollte raus aus diesem Job, raus aus der Monotonie, zurück in die Weite eines Kontinents, den ich lieben gelernt hatte. Also sagte ich meinem Chef, dass ich kündigen werde. Im Oktober 2018 verließ ich Deutschland und begann ein neues Leben in Afrika.
Hattest du einen Plan B?
Nein, es gab keinen Plan B. Natürlich bin ich nicht mit 5€ in der Tasche und ohne Vorbereitung in ein fremdes Land ausgewandert, sowas kennt man eher aus dem Fernsehen. Ich habe mich natürlich vorher informiert und hatte bereits Kontakte in Afrika. Und meine Safari Guide Ausbildung hatte ich ja auch in der Tasche. Aber es gab tatsächlich kein “Das mache ich, wenn Plan A nicht klappt”. Um Sicherheit ging es bei mir immer nur in Sachen Job.
Ich wäre zum Beispiel gerne direkt nach Südafrika gegangen, habe dort aber keine Arbeitserlaubnis bekommen. Darum wollte ich übergangsweise als Reisevermittler für ein deutsches Unternehmen in Nairobi arbeiten. Drei Wochen vor meinem Abflug kam plötzlich eine Mail mit einem Jobangebot aus Simbabwe. Zuerst dachte ich, das wäre Spam, aber es war ein Reiseanbieter, der bei meinem Guide Ausbilder EcoTraining angefragt hatte, weil man einen deutschsprachigen Guide für deutsche Gäste suchte.
Ich war nicht sicher, ob mir der Job Spaß machen würde und Simbabwe ist zudem kein einfaches Land. Aber ich habe mich darauf eingelassen und hier bin ich nun.
Was hat dich am meisten an deinem “neuen Leben” überrascht? Positiv wie negativ.
Hier ist es immer turbulent. Ich lebe in einem Dritte-Welt-Land. Simbabwe ist seit Jahren in einer wirtschaftlichen und politischen Krise. Es gibt kein Bargeld, keinen Strom, kein Benzin. Bei meiner Auswanderung 2018 herrschten Unruhen in Simbabwe und als ich in der Hauptstadt Harare landete, glich sie einer Geisterstadt.
Aber ich fühle mich sicher in Simbabwe. Die Menschen dort sind sehr freundlich und sehr ehrlich. Ich hatte bisher nie das Gefühl, in Gefahr zu sein. Und ich mag meinen Job als Tourguide, weil er unglaublich vielfältig ist.
Ich war positiv überrascht, wieviel Spaß die Dinge plötzlich machen, wenn der enge Rahmen wegfällt. Manchmal fühle ich mich eher wie ein Teenager. Das Land ist oft unberechenbar, aber die Dinge funktioniert doch irgendwie, weil hier alle die gleichen Probleme haben. Ich bin dann ja nicht der Einzige, der plötzlich keinen Strom hat. Und der Zusammenhalt ist dadurch größer.
Was hat sich seit Corona verändert?
Das Camp war eine ganze Weile geschlossen, jetzt haben wir einige inländische Gäste, aber die internationalen Touristen bleiben natürlich aus. Corona ist für viele Menschen hier ein existenzielles Problem. Es gibt keine Pflichtkrankenversicherung und kaum soziale Absicherung. Hilfen wie in Deutschland gibt es auch nicht. Die Menschen können kein Geld verdienen und sind auf Lebensmittelspenden angewiesen.
Ich bin darum auch Mitbegründer des Vereins Chengeta Kids e.V., der die Chengeta Primary und Secondary School in Selous/Simbabwe unterstützt. Es geht darum die Infrastruktur der Schule zu verbessern, die Kinder mit Unterrichtsmaterial, Essen und Kleidung zu versorgen. Wir haben drei tolle Kalender mit meinen schönsten Fotos erstellt, der Erlös aus dem Verkauf fließen zu 50% in den Verein, um das Projekt zu unterstützen.

Und wenn ich das gerade nicht mache, besuche ich eine Erdmännchen Kolonie, die ich im Laufe der letzten Monate an mich gewöhnt habe. Es ist ziemlich cool, die Tiere zu beobachten. Fotos von ihnen gibt’s auch im Kalender [zwinker].

Was vermisst du aus deinem alten Leben?
Was ich wirklich vermisse sind Paprika Sticks, Laugengebäck, Mamas Erdbeermarmelade und Spätzle Mehl.
Nein, im Ernst, es gibt kein soziales Leben, wie ich es aus Deutschland gewohnt bin. Meine Lodge ist relativ weit von der nächsten Bar oder einem Restaurant entfernt. Es gibt keine Konzerte, früher habe ich Tennis gespielt. Das ist schon ein großer Unterschied zu früher und jetzt, zu Corona-Zeiten ist es natürlich noch viel schwerer.
Auch mischen sich die Schwarzen und die Weißen kaum. Zwar arbeitet man zusammen, aber es gibt sehr große kulturelle Unterschiede und die Weißen leben meist in einer eigenen Blase. Es gibt ca. 30000 Deutsche in Simbabwe. Eine schwarze Frau zu daten ist hier nahezu undenkbar.
Wie lernt man als deutscher Single Mann in Afrika eine Frau kennen?
Die Shona Frauen in dürfen nicht einfach daten, sie müssen direkt heiraten, wenn sie einen Mann kennenlernen. Hätte ich eine Shona Freundin, müssten meine Eltern eine Ablöse an ihre Eltern zahlen. Und je nach Bildungsstand kann das sehr teurer werden, sprich: Bargeld muss fließen. Es folgt eine Hochzeit mit 500-800 Leuten, die meine Eltern bezahlen müssten. Dann sollten natürlich auch schnell Kinder kommen. Falls das, aus welchen Gründen auch immer, nicht funktioniert, ist immer die Frau schuld. Ihre Geschwister würden sich dann auf die Suche nach einer neuen Frau für mich machen, die dann mit mir und der anderen Frau zusammenleben würde.
Mit unserem Verständnis von Emanzipation und Dating-Verhalten hat das nichts zu tun. Darum bleiben die Schwarzen und die Weißen meist unter sich. Eine Mischung der Kulturen ist schwierig und Frauen habe ich bisher nur über den Job kennengelernt.
Bis ich beim Podcast von Bushbaby mitgemacht habe. Nach der Ausstrahlung wurde ich von einer Frau angeschrieben, die offensichtlich meine Stimme sehr sympathisch und hoffentlich das Erzählte auch nicht ganz so übel fand. Wir hatten zunächst lockeren Kontakt, der dann immer intensiver wurde. Da sie in Deutschland lebt, hat es eine ganze Weile gedauert, bis wir uns persönlich treffen konnten. Aber jetzt ist sie gerade hier in Namibia, weil sie hier für ihren Arbeitgeber als CSR Managerin tätig ist und außerdem Familie in Namibia hat. Und so konnten wir uns früher treffen, als erwartet. Und jetzt ist sie meine Freundin.
Kannst du dir vorstellen, für immer in Afrika zu bleiben?
Ja, jetzt schon [er grinst über beide Ohren]. Ich habe immer gesagt, wenn ich mir die perfekte Frau backen könnte, dann müssten ein paar, mir wichtige, Zutaten rein und wenn sie am Ende dann auch noch hübsch ist, perfekt. Und dann kam SIE in mein Leben. Verrückt.
Wo siehst du dich in 5 Jahren?
In Afrika. Ich möchte gerne noch andere Länder kennenlernen. Gerne noch mehr Stationen machen. Es hängt aber natürlich davon ab, welche Jobs ich bekomme. Aber grundsätzlich mache ich keine Pläne. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass die Dinge besser funktionieren, wenn man nicht versucht, alles bis ins letzte Detail zu planen. Das zeigt auch meine bisherige Geschichte hier in Afrika. Als ich neu in dem Job war, habe ich auch immer versucht, eine gesamte Tour zu planen. Die Tour hat dann aber nie so stattgefunden, wie ich es geplant hatte. So etwas funktioniert in Deutschland, aber in Afrika nicht.

Hast du einen guten Tipp für Leute, die auch eine Auswanderung planen?
Vor allem muss man lernen zu vertrauen und Sachen auf sich zukommen lassen. Ein gutes Netzwerk hilft, die richtige Qualifikation für den Job hatte ich ja bereits vor der meiner Auswanderung. Und ich habe gelernt die Dinge lösungsorientiert, statt problemorientiert anzugehen.
Seinen Träumen zu folgen und ein sicheres Leben in Deutschland gegen ein großes Abenteuer in Afrika zu tauschen, nicht jedermanns Sache. Aber Andreas hat sich getraut diesen Schritt zu gehen und will die Weite des afrikanischen Kontinentes mit seiner wunderschönen Flora und Fauna nicht mehr missen.
Hättest du den Mut, einen deratigen Schritt zu gehen? Oder bist du vielleicht schon einmal einen ähnlichen Schritt gegangen und hast einen großen Traum in die Realität umgesetzt?
Wer Interesse an einem von Andreas Kalendern hat und damit auch noch einen guten Zweck unterstützen möchte, kann diesen direkt auf http://www.chengetakids.de bestellen. Schaut auch gerne auf Andreas Instagram Profil @safariguideafrica vorbei.
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