
Ja, ich weiß. Es ist erst Anfang November. Und damit noch ein ganzes Stück hin bis Weihnachten. In den vergangenen Jahren habe ich zu diesem Zeitpunkt den Gedanken an die Feiertage noch weit von mir geschoben. Die Lebkuchenwände, die mir seit Anfang September im Supermarkt entgegenspringen, einfach augenrollend ignoriert. Und auch ein weiteres Mal beschlossen, auf gar keinen Fall die Wohnung zu dekorieren. Sind ja im Übrigen noch fast zwei Monate.
Und außerdem gibt es ja auch mal wieder nichts zu feiern. Schon wieder ein Jahr vorbei. Und schon wieder hat sich nichts geändert. Ich bin nach wie vor Single. Und auch sonst sind meine Lebensumstände ähnlich geblieben. Ich bin einfach ein verdammtes Gewohnheitstier, das Veränderungen erst angeht, wenn der Leidensdruck dermaßen hoch ist, dass ich schon von Außenstehenden gefragt werde, wie ich das eigentlich aushalte.
2020 wird mein Jahr, inklusive grandiosem Weihnachten. Dachte ich.
Dabei hatte ich mir so viel vorgenommen für 2020. Mehr Sport. Mehr neue Menschen. Mehr Orte, an denen ich Spaß haben und das Leben genießen kann. An denen ich mehr Wertschätzung erfahre und an denen mir nicht wertvolle Lebenszeit gestohlen wird. Und jedes verdammte Straßenfest, jede Party und auch sonst alles mitzunehmen, was mich vielleicht einen Schritt aus meiner Komfortzone kostet, aber auch meinen Horizont erweitern kann.
Und dann kam alles anders. Nichts davon konnte ich umsetzen. Im Gegenteil, ich saß mehr zuhause als in allen anderen Jahren zuvor. So wie alle in diesem Coronajahr. Aber während die meisten anderen ihr Familienleben neu entdeckt haben, Kinder sich freuten, dass der Papa endlich mal mehr zuhause ist und sich auch Beziehungen weiterentwickeln und gestärkt aus der Krise gehen konnten, habe ich nur eins weiter kultiviert: auf mich allein gestellt zu sein. Aber dieses Mal konnte ich wirklich nichts dafür. Der gute Wille war ja da.

Hätte am Anfang des Jahres jemand in eine Glaskugel geschaut und mir dieses desaströse Szenario vorhergesagt, hätte ich ihm wohl einen Vogel gezeigt und mit Schrecken der Dinge geharrt, die da kommen. Komplett ausgeknockt in dem Jahr, für das ich mir vorgenommen hatte, dass endlich alles besser wird? In dem ich 40 werde? Geht’s noch?
Von all der verschwendeten Zeit, deren Bilanz ich in den letzten sagen wir 13 Jahren jeweils um die Weihnachtszeit gezogen habe, und die den Druck immer weiter erhöht und die Schlinge immer weiter zugezogen hat, bildet das ja wohl den absolut traurigen Höhepunkt. Wenn das passiert, kann ich das Buch zumachen. Aus die Maus, Micky Maus – wie mein ehemaliger Chef gern zu sagen pflegte. Was soll ich sagen – es ist genau so gekommen. Und trotzdem ziehe ich dieses Mal eine völlig andere Bilanz.
Dass ich gut allein sein kann, wusste ich auch schon vor 2020. Gut, das steht mir grade beim Punkt Beziehungsfähigkeit leider auch öfter mal im Weg. Und trotzdem hat diese Me-Time in diesem Jahr eine völlig andere Qualität bekommen. Anstatt mir um irgendwelche halbgaren Beziehungskatastrophen und oberflächliche Jobthemen Gedanken zu machen, ging es tatsächlich mal um das Wesentliche.
Alles wurde dieses Jahr runtergefahren. Auch die Luxusprobleme.
Für mich bedeutete das: Das Hinterfragen von Glaubenssätzen und Selbstverständlichkeiten, die irgendwie immer da waren, aber eben auch Grund dafür, dass die Dinge nicht immer so laufen, wie man sie gerne hätte. Und natürlich um die Gesundheit. Und zu erleben, wie die meisten Menschen sich verhalten, wenn sie die eigene bedroht sehen. Und über mich selbst zu lernen, wozu ich in der Lage bin, wenn jemand in meinem Umfeld plötzlich krank wird.
Ich hätte dieses Jahr beinahe einen mir sehr nahestehenden Menschen verloren. Über viele Monate hat das mein Leben quasi ausgehebelt und ich habe all meine Kraft, mein Wissen und meine Lernfähigkeit investiert, um möglichst viel darüber zu erfahren und alles zu tun, was im Rahmen meiner Möglichkeiten war. Und das macht etwas mit einem.
Ich war schon immer jemand, der dankbar für die kleinen Dinge sein kann. Aber manchmal wird einem klar, dass es eben nicht selbstverständlich ist, mit den immer gleichen Menschen an Omas Geburtstag – oder eben an Weihnachten – um den Kaffeetisch zu sitzen. Oder Pläne machen zu können. Für die nächste Reise. Oder manchmal sogar auch nur für das nächste Sonntagsessen. Weil sie im nächsten Moment zerschossen werden können. Ohne Vorwarnung.
2020 hat mich noch ein Stückchen demütiger gemacht, als ich ohnehin schon war. Dass ich mich in gewisser Weise neu einnorden muss, stand schon Anfang des Jahres fest. Und so haben die Ereignisse, die in diesem Jahr folgten, dieser Entwicklung eigentlich in die Karten gespielt. Es mag komisch klingen, aber auf eine seltsame Art bin ich – trotz der faktisch erneuten Zeitverschwendung im Hinblick auf mein Singledasein – dankbar für dieses völlig ausgeartete Jahr.
Weil ich so viel gelernt habe. Über mich. Über das Leben. Und meine größte Errungenschaft ist, dass ich mittlerweile jeder noch so verfahrenen und angsteinflößenden Situation immer etwas Positives abgewinnen kann. Und sei es nur Hoffnung. Denn die stirbt bekanntlich zuletzt.
Als ich mir eben meinen Blogbeitrag zu Weihnachten vom letzten Jahr durchgelesen habe, blieb ich am letzten Absatz hängen. „Ich hoffe, ich kann nächstes Jahr um diese Zeit endlich wieder Plätzchen backen. Die Wohnung dekorieren und vielleicht meinen ersten eigenen Weihnachtsbaum aufstellen. Und jemanden an der Hand nehmen, mit ihm in Omas Keller gehen und von den wundervollen Weihnachten bei meinen Großeltern erzählen.“ (Den vollständigen Beitrag findet ihr hier: 3..2..1… Merry Grinchmas)
Naja. Nicht exakt so, wie ich mir das 2019 ausgemalt habe. Aber angesichts der Dinge, die 2020 wohl zu einem der denkwürdigsten und fürchterlichsten Jahre gemacht haben, doch eigentlich ein ziemlich zufriedenstellendes Ergebnis.

Und wegen all dieser Ereignisse und Erkenntnisse habe ich in diesem Jahr seit langem das außerordentliche Bedürfnis, meiner sonst eher minimalistischen Wohnung ein bisschen mehr Weihnachtsglanz zu verleihen. Selbstverständlich mit dezentem Rosa, pardon Dusty Rose, und hier und da etwas Plüsch, denn Glamour kann man – vor allem als Single – nie genug haben. Teilzeit-Prinzessin bin ich ja trotz aller Demut ganz nebenbei auch immer noch.
Wie sieht es bei euch aus? Feiert ihr Weihnachten dieses Jahr auch bewusster? So wie immer? Oder lasst ihr es gleich ganz ausfallen? Lasst es mich wissen, hier, auf Facebook, Instagram oder Twitter.