collage photo of woman

Es gab Momente in den vergangenen Monaten, da hatte ich das Gefühl, die Kontrolle über mein Leben verloren zu haben. Es sei dazu gesagt, dass ich grundsätzlich der Typ Mensch bin, der gerne den Überblick behält. Ich plane und bin gerne vorbereitet, nicht immer, aber in wichtigen Situationen. Doch in letzter Zeit kamen so viele unplanbare und unvorhersehbare Dinge auf mich zu, dass ich kurzzeitig in einer echten Krise steckte.

Als ich nach der Elternzeit meines Sohnes in den Job zurückkehrte, dachte ich, das sei kein Problem für mich. Das hat beim ersten Kind gut funktioniert, beim zweiten wird es genauso sein.

Fehler Nr. 1 – die leichtfertige Unterschätzung der Lage

Nichts ist beim zweiten Kind genauso wie beim ersten. Das liegt an der simplen Tatsache, dass man ein Kind mehr hat. Spielen mit einem Kind: kein Problem. Spielen mit zwei Kindern, wobei das eine Bügelperlen auf eine Platte steckt und das andere die selbigen in die Nase: Nervenkrieg. Beim ersten Kind habe ich peinlich genau darauf geachtet, dass es während des Mittagsschlafes im Haus mucksmäuschenstill ist. Beim zweiten rennst du dem Geschwisterkind hinterher, dass während der Mittagsruhe triumphierend die Kindertröte schwenkt. Es gibt wenige Dinge, die so unberechenbar sind wie die Launen eines Kindes.

Jetzt könnte jemand zu Recht einwenden, das zweite Kind ist ja nicht erst seit gestern da. Fairer Punkt. Wir hatten bereits zwei Jahre, um uns gemeinsam einzugrooven. Das war auch kein Problem. Ich war in der Elternzeit, die Große im Kindergarten und der Frosch tageweise bereits bei der Tagesmutter. Lief sehr entspannt. Die Wäsche war gewaschen, der Garten tiptop, der Boden spielzeugfrei.

Der beste Moment also, wieder in den Job einzusteigen und ein wenig an der Selbstverwirklichung zu schrauben. Ich hatte ja alles bestens im Griff, was sollte schon kommen? Diese Annahme führte mich direkt zu

Fehler Nr.2 – die Überschätzung der eigenen Fähigkeiten

Dass mein Plan auf wackeligen Bürostuhlbeinen stand, merkte ich, als ich das Ausmaß der mir zugedachten Projekte realisierte. Auf der einen Seite in freudiger Erwartung der Themen, mit denen ich mich, nach langer Abstinenz, wieder beschäftigen konnte. Auf der anderen Seite immer den Druck im Nacken, dass irgendetwas anderes zwangsläufig auf der Strecke bleiben muss, um das Pensum, mit dem von mir gesetzten Qualitätsanspruch, zu bewältigen.

Der Versuch des Spagates zwischen Job und Familie fühlte sich bei mir eher wie eine schmerzhafte Muskelzerrung an. Die Wäscheberge wuchsen und waren bald sogar höher als das auf dem Boden verstreute Kinderspielzeug. Ein Tagesablauf zwischen schnell die Kinder in die Betreuung bringen, schnell ins Büro fahren, schnell Meetings, und Mails abarbeiten, schnell wieder nach Hause, um schnell mal die Kinder noch ein wenig zu bespaßen. Die freuten sich sogar anfangs über die schnell nach der Arbeit mitgebrachte Pizza. Aber auf Dauer sind diese Notlösungen auch keine befriedigende Alternative. Vor allem wurde mir das alles schnell zu viel.

Was zwei Jahre lang wunderbar funktioniert hatte, das System, das sich für unsere Familie als praktikabel erwiesen hatte, zerbröckelte plötzlich unter meinen Fingern. Mein Kopf fühlte sich an wie in einem dieser Comics, bei denen über der Comicfigur nur eine leere Sprechblase mit drei Punkten steht. Ich konnte mich auf nichts mehr konzentrieren, konnte mir die simpelsten Dinge nicht mehr merken.

Doch damit nicht genug, denn wie ich bereits erwähnte, sind die Launen und Emotionen eines Kindes nicht zu unterschätzen. Was ich zu spüren bekam bei meinem

Fehler Nr. 3 – die Fehleinschätzung der äußeren Faktoren

Das Waldmädchen wurde eingeschult. Große Vorfreude und Euphorie bei allen Beteiligten. Die Neugierde auf das Neue und Unbekannte war riesig bei meiner Tochter, ich war ein wenig wehmütig, sie aus der geborgenen Blase des Kindergartens in die neue, ernstere Welt ziehen lassen  zu müssen (nachzulesen in meinem Blogpost Hänschen klein, ging allein – wenn Mütter lernen müssen, loszulassen).

Die Situation in der Schule, die mich ab dem ersten Schultag zwei Wochen lang begleitete, war ein ängstliches Mädchen, das sich nicht traute, mit, ihr völlig fremden Lehrer*innen, ins Klassenzimmer zu gehen. Ich weiß, was ihr denkt. Bin ich nicht selbst schuld, projiziere ich irgendetwas auf mein Kind und habe dieses Problem selbst geschaffen? Glaubt mir, ich habe mir diese Frage mehr als einmal gestellt. Trotzdem stand ich jeden Morgen vor der Schule und habe mein weinendes Kind Richtung Lehrerin geschoben, in der Hoffnung, dass es am nächsten Tag besser läuft. Dass ich mich dabei beschissen gefühlt habe, muss ich vermutlich nicht extra erwähnen.

Der Kommentar einer Mutter, warum mein Kind sich denn so anstelle, es wäre doch schon groß, tat sein Übriges. Ich saß abends heulend neben meinem Mann auf dem Sofa und musste mir eingestehen, dass ich mit der gesamten Situation überfordert war. Auf der einen Seite standen Selbstzweifel, ob der Zeitpunkt, aus der Elternzeit zu kommen nicht viel zu früh gewesen war. So kurz vor der Einschulung, einem so großen Einschnitt in einem Kinderleben. Doch hätte eine spätere Rückkehr in den Job nicht nur eine Verschiebung der Probleme zur Folge gehabt?

Denn da war gleichzeitig auch der Wunsch beruflich wieder Fuß zu fassen. Und das führte zu Frust, im Job nicht das abliefern zu können, zu dem man sonst eigentlich fähig ist. Verbunden mit dem Gefühl, dass der Arbeitgeber und die Kollegen eigentlich viel mehr von einem erwarten.

Nicht zu vergessen, dass es diverse andere Dinge gibt, mit denen ich mich beschäftige. Diesen Blog beispielsweise. Was also tun?

Die Lösung – gelegentlich auf die Einschätzung anderer vertrauen und aus eigenen Fehlern lernen

Manchmal braucht es jemanden, der dir sagt, die Dinge laufen gar nicht so schlecht, wie sie sich anfühlen. In meinem Fall war es mein Mann, der mir nach meinem abendlichen Nervenzusammenbruch versicherte, dass nicht jeder diesen hohen Anspruch an mich hat, den ich selbst für mich festlege. Dass ich keine schlechte Mutter bin, weil ich die Hälfte des Tages arbeiten gehe und mich auf andere Dinge als meine Familie konzentriere. Dass es egal ist, ob die Betten morgens gemacht sind oder die Spülmaschine ausgeräumt ist. Dass ich mir mehr Zeit nehmen soll, wieder richtig in den Job reinzukommen und ich damit aufhören muss, alles auf einmal zu wollen.

Und was soll ich sagen, klingt ein bisschen cheesy, aber er hat recht.

Wir haben uns einen neuen Plan ausgetüftelt. Mein Mann ist im Homeoffice, wenn ich länger im Büro bleiben muss. Den Haushalt schmeißen wir gemeinsam als Familie und die gewonnene Zeit investieren wir in den Genuss von Eiscreme. Natürlich ist es immer noch stressig, alles unter einen Hut zu bekommen, das will ich auch nicht schön reden. Wir sind weit davon entfernt eine Bilderbuchfamilie sein. Aber Balance beginnt im Kopf und nicht auf dem Papier.

Allein die Tatsache, meine Gedanken geteilt und die Sicherheit zu haben, dass jemand hinter mir und meinen Entscheidungen steht, egal wie gut oder schlecht die Dinge manchmal laufen, hat den Knoten bei mir platzen lassen. Und nicht nur bei mir. Seit einer Woche läuft’s auch mit der Schule. Ganz plötzlich. So hängt eben doch alles mit allem zusammen.


Stoßt ihr manchmal auch an eure Belastbarkeitsgrenze? Wie schafft ihr es euer Privatleben und den Job unter einen Hut zu bringen? Ich bin gespannt auf euere Erfahrungen und Tipps.

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4 Antworten zu „Viel Work-Life, wenig Balance: meine 3 großen Fehler”.

  1. Avatar von LYREBIRD | über Psychologie, Philosophie und Bücher

    Danke für deinen Beitrag! Ich selber habe noch keine Kinder und fasse erst im Berufsleben Fuß – aber dennoch habe ich schon jetzt Sorgen, wie ich das mit Kindern unter einen Hut bekommen soll. Vielleicht etwas zu früh, aber ich bin nun mal eine Grüblerin 😉
    Zu lesen, wie du dir viel zu viel aufgeladen hast und wie du mit diesem Druck nicht umgehen kannst, erinnert mich sehr an mich und meine Verhaltensweise in anderen Situationen. Deine Lösung ist deshalb auch schon jetzt eine Hilfe für mich – und erst recht für später, wenn ich dann selbst mal Kinder habe.
    Bei einer jungen Familie ist Gemeinsamkeit einfach das Wichtigste: es ist ideal, wenn beide aktiv werden. Toll, wie ihr das gelöst habt!

    Viele Grüße
    Janne von LYREBIRD

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    1. Avatar von Jasmin

      Vielen Dank für deine lieben Worte. Es klappt mal besser, mal schlechter. Ganz in Balance ist man mit Kindern wahrscheinlich nie 😉

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  2. Avatar von jennvonmontigny

    Danke für den Text! Finde es auch Mega schwer die Balance zwischen beidem zu finden

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  3. […] Viel Work-Life, wenig Balance: meine 3 großen Fehler Viel Work-Life, wenig Balance: Meine 3 großen Fehler […]

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