Plötzlich ist es wieder da. Obwohl ich dieses Gefühl wirklich lange nicht hatte. Monate. Vielleicht sogar ein Jahr oder länger. Ich bin 40, Single und habe kein Kind. Zu viele andere Sorgen haben mich beschäftigt. Existenzängste und ganz elementare gesundheitliche Sorgen in der Familie. Da wird alles andere sehr klein. Und außerdem habe ich ganz gut gelernt, damit umzugehen. Und ehrlich gesagt war es auch mal sehr entspannt, ohne Männerdrama. Ja, an sich geht es mir schon länger sehr gut mit meinem Singledasein.

Aber manchmal, in einem ruhigen Moment, holt es einen doch wieder ein. Unverhofft. An einem schönen Sommernachmittag, an dem selbst alle anderen Sorgen mal Sendepause haben. Weil in Coronazeiten und auch aus anderen Gründen für mich kein Urlaub und auch kein Freibad drin war in diesem Jahr, habe ich im Garten einen aufblasbaren Pool aufgestellt. Und freue mich riesig, mich bei 30 Grad und nach all den harten Wochen endlich mal wieder leicht ums Herz zu fühlen, das Gesicht in die Sonne und die Füße ins Wasser zu halten und zu denken „das Leben ist doch schön.“

Ein schöner Sommertag. Und plötzlich bin ich traurig.

Auch die Nachbarn sind in ihrem Garten. Mit ihren Kindern, die deutlich jünger sind als ich und die ich schon ihr ganzes Leben lang kenne. Und ihren Enkeln. Ich höre das Lachen der Kinder, der Mütter, der Großeltern. Und muss unwillkürlich lächeln, weil alle so glücklich sind. Und weil Kinder das Leben so leicht erscheinen lassen können, auf das Wesentliche reduziert. Aber im gleichen Moment überfällt mich eine unfassbare Wehmut.

Eine Weile später erfahre ich, dass meine kleinste Cousine – mittlerweile auch schon 36 – nun doch noch ein Baby bekommt. Obwohl irgendwie keiner so richtig damit gerechnet hat. Auch ihre Eltern nicht, die jetzt natürlich völlig im Babyfieber sind. Und damit sind meine Eltern die einzigen unter ihren Geschwistern, die zwar Kinder, aber keine Enkel haben. Ich schwanke zwischen Freude und Schockzustand. Und ich kann nicht leugnen, dass es mich wie ein Blitz getroffen hat. Was nichts mit meiner Cousine zu tun hat. Sondern mit meinen Dämonen, die ich jetzt so lange und fast ohne Anstrengung gut im Griff hatte.

Keine Kinder zu haben ist eine Sache, mit der man selbst erstmal klar kommen muss. Aber beim genaueren Hinsehen betrifft es eben nicht nur mich. Sondern auch die Nicht-Großeltern. Und das macht mich traurig.

Es ist schwer, das alles immer von sich fern zu halten. Ich bin von Grund auf eher ein Realist mit einer Tendenz zum Pessimismus. Es hat lange gedauert, mich davon freizumachen und eine positivere Lebenseinstellung zu bekommen. Und das habe ich geschafft. In Zeiten, in denen ich wahrlich nicht viel zu lachen hatte. Weder privat, noch beruflich. Selbst Corona konnte ich hauptsächlich Positives abgewinnen. Und auf diese Entwicklung, die ich ganz allein herbeigeführt und viele meiner negativen Glaubenssätze umgekehrt und einige Energieräuber aus meinem Leben entfernt habe, bin ich immens stolz.

Aber manchmal verfalle ich wieder in die alten Muster. Vor allem, wenn ich gefühlt mal wieder an mehreren Fronten kämpfen muss. Das ist wohl wie bei einer Erkältung. Eine gewisse Zahl an Angreifern kann der Körper abwehren. Aber irgendwann ist das Immunsystem überfordert und alte Wehwehchen kommen wieder zum Vorschein.

Manchmal wünsche ich mir ein banales Problem wie zu kleine Schuhe.

Dann wünsche ich mir, dass mein zentrales Problem die Schuhe sind, aus denen mein Kind schon wieder rausgewachsen ist. Oder die schlaflosen Nächte, weil die Zähne kommen. Ja, das mag unfair vereinfacht sein. Weil auch das an die Substanz geht und auch daran Existenzängste hängen können. Wenn man die neuen Schuhe nicht bezahlen kann zum Beispiel. Aber schließlich erzählen einem ja auch alle Eltern, dass das alles aufgewogen wird, wenn das eigene Kind einen anlächelt.

Und der Gedanke, dass man das alles, was alle als das größte Wunder im Leben beschreiben, als nicht vorstellbar, bis man es erlebt hat, vielleicht niemals erfahren darf, kann schon an einem nagen. Vor allem dann, wenn man andere beobachtet, wie sich bei ihnen der Lauf des Lebens einfach gefügt hat. Und man neben alle der Seligkeit und Freude, die man für die anderen empfindet, plötzlich merkt, dass man wieder nur daneben steht.

Und neidisch ist. Neidisch auf Ehemänner und Väter, die die Mütter wo es geht entlasten. Auch wenn die Partnerin gestresst und nicht grade nett zu ihnen ist. Auf die großen Momente wie den ersten Tag im Kindergarten, bei dem die ganze Familie mitfiebert. Und die kleinen. Wenn das Kind „Mama“ sagt. Aber eben immer zu der Frau, die neben mir sitzt.

Die Beziehung zwischen Mutter und Kind ist eine besondere. Schön anzusehen. Aber noch schöner wäre es, das selbst einmal erleben zu dürfen.

Manchmal holt mich das alles ein. Besonders nachts. Und nachts werden diese Gedanken überlebensgroß. Und es tut weh. Aber es ist ok. Weil das etwas ist, worüber man traurig sein darf. Irgendwann ist das Leben wieder schön. Morgen. Vielleicht ja schon morgen.


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8 Antworten zu „40, Single, kein Kind. Verzweiflung inklusive. Zumindest manchmal.”.

  1. Ein toller Beitrag. Ich bin zwar selber Mutter und kein single mehr. Ich kann aber deine Sichtweise ich nachvollziehen. Einige Freundinnen von mir sind 40, ohne Kind und Partner. Es gibt gute Tage und schlechte. Genau wie als Mutter. Ich freue mich ob Männer die gleichen Gedanken haben?

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    1. Vielen Dank. Ich glaube, bei Männern ist das seltener. Sicher gibt es auch welche, die solche traurigen Momente haben. Aber vielleicht nicht in dieser Form, denn ihr biologisches Zeitfenster ist etwas größer. Und das halte ich für den entscheidenden Unterschied.

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      1. Glaub mir – ohne kleinen Schreihals geht es auch 😘

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      2. ja, einmal das Alter und auch, dass Frauen oft noch daran gemessen werden, ob sie mutter sind oder nicht. Bei Männern ist dies nicht der Fall. Die sind dann lange der unzähmbare Junggeselle

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  2. Trifft mich mitten ins Herz. Fühl dich verstanden. Yvonne

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