Zugegeben, ich lasse mich ja auch gerne mal vom schönen Schein blenden. Grade auf Instagram verliert man schnell das Gefühl dafür, was realistisch ist und was komplett am echten Leben vorbeigeht. Das gilt für die Influencer-Mamas mit drei Kindern, eigenem Klamotten-Label, Fitness-Tempel und trotzdem unfassbar viel Freizeit genauso wie für die I-woke-up-like-this, immer perfekt geschminkten, voll-lippigen, extrem-wangenknochigen Görls, die in ihrem Mini zum nächsten Beauty-Termin cruisen. Und sich unterwegs schnell noch eine Half-Fat-Latte aus Mandelmilch holen.

By the way: hat das schon mal jemand getrunken? Also so ernsthaft? Ich probiere ja gerne Trends aus, aber ich muss sagen: Auch wenn es böse-böse ist, aber ich kehre immer wieder zur Kuhmilch zurück. Weil alles andere leider wie Scheiße auf Pappe schmeckt. Sorry. Und ich bezahle gerne 1,45 Euro für den Liter Milch, wenn das die Bedingungen für Bauer, Kuh und Kälbchen verbessert. Aber ich schweife ab.

You Tube und Schminktutorials. Ich falle immer wieder drauf rein.

Ja, natürlich bestelle ich jedes Mal wieder einen Wagen voll Zeug, wenn meine Lieblings-Fashionista ein neues You Tube Video mit einem Haul und Rabattcode NamederInfluencerin30 rausbringt. Der natürlich nur siebeneinhalb Minuten gültig ist. Um dann festzustellen, dass nicht mal die Hälfte an mir so aussieht wie an ihr, weil sie Hosengröße 24 und in allem anderen auch XXS trägt. Und dabei bin ich nicht dick oder so. Nur klein. Und unten breiter als oben.

Und immer wieder versuche ich mich an Highlighter-Schmink-Tutorials. Um sie dann spätestens bei Minute 5:23 abzubrechen. Weil ich feststelle, dass der Woke-up-like-this-Look eigentlich aus 37 Concealerschichten besteht. Und mich am Ende immer nur eins fasziniert: Wie können die sich drei Kilo Farbe unter die Augen schmieren, ohne dass das hinterher nach Geisterbahn aussieht? Das kann doch verdammt nochmal nicht nur an diesem Beautyblender (BLENDER, da haben wir‘s ja!) liegen.

Es fühlt sich anstrengend an. Und bei genauem Hinsehen ist es das auch. Nichts von all dem, was so flawless erscheinen soll, kommt ganz offensichtlich ohne einen riesigen Berg Arbeit aus. Und vor allem: ohne ganz krasses Licht, das einen so blenden soll, dass man es nicht merkt. Das gilt für Filter auf Bildern genauso wie für Menschen. Zur Abwechslung vielleicht sogar im echten Leben.

Vermeintliche Übermenschen als Kollegen. Und dann kommt nur heiße Luft.

Ich habe vor vielen Jahren angefangen, für eine bekannte Marke zu arbeiten. Ich war sehr aufgeregt und fragte mich, was mir dort wohl für Übermenschen begegnen würden, mit denen ich die Ehre haben würde arbeiten zu dürfen. Die Crème de la Crème der internationalen Spitzenkräfte. Und ich kleines Licht durfte dabei sein.

Ich hatte tolle Kollegen, kein Zweifel. Aber über die Jahre erkannte ich immer deutlicher, dass heiße Luft, am besten gepaart mit ein paar guten Beziehungen, einen seeehr weit nach oben spülen kann. Wie sonst war es zu erklären, dass auf Schlüsselpositionen so viele Trottel zu finden waren? Die dann auch noch die Karriereleiter immer weiter hochstolperten, wenn sie erstmal einen Fuß drin hatten. Natürlich sind nicht alle so, du liebe Zeit. Aber es war für mich doch erstaunlich, wie viele Arbeitsverweigerer sich dort gemütlich einrichten konnten. Während andere für sie das Denken übernahmen. Naja, es ist wohl tatsächlich so, dass sich immer irgendwelche Dummen dafür finden. Und dann geht der Plan auf.

Auch dieses, in manchen Kreisen sehr beliebte, Image vom AMG-fahrenden, Balenciaga-bekleideten Schleimtypen mit immer gleich aussehender Gucci Gucci-Tussi auf dem Beifahrersitz, dem viele so hinterherhecheln. Alter, ihr seid 26, wie geht das denn bitteschön?

Hauptsache fettes Auto. Dafür kann man schon mal ne Weile hungern, oder?

Bis man mal hinter die Kulissen schaut und sich von einem Daimler-Mitarbeiter erklären lässt, dass sich die Jungs teilweise zu fünft solche Karren leasen, dafür in einer Schuhschachtel wohnen und die Mädels ihr ganzes Geld für Haar-, Wimpern- und am besten noch Augenbrauenextensions und monatliche Behandlungen beim Botox-to-go ausgeben. 24, Studentin und schon drei Handtaschen, von denen eine über 1.000 Euro kostet? Dann isst man halt drei Monate lang Nudeln mit Ketchup, gell. Irgendwo muss man ja Abstriche machen. Oder man fragt eben Papi.

Zum hämischen Kichern brachte mich letztens eine Geschichte aus meinem erweiterten Bekanntenkreis. Ein Paar, das sehr auf Äußerlichkeiten bedacht ist und sich selbst als „Power-Couple“ bezeichnet, alles immer Prada und YSL, bloß nichts Gewöhnliches – und auf’s Klo gehen die übrigens sicher auch nie –, ließ mich unfreiwillig in seine unperfekte Welt schauen: Offiziell sind beide Vegetarier. Inoffiziell stopft aber einer der beiden, sobald der andere außer Sichtweite ist, alles Fleischliche in sich rein, das er bzw. sie in der kurzen Zeit zu fassen bekommt. Haaahaaaaa, ich muss leider schon wieder lachen. Da bin ich doch lieber unperfekt. Und wenigstens halbwegs normal.

Mittags Veggie, abends Fleischfresser. Für’s Image muss man eben manchmal moralisch flexibel sein.

Und trotzdem: Auch in meinem fortgeschrittenen Alter muss ich mich ab und zu zwingen, hier wieder auf dem Boden der Tatsachen anzukommen. Dieser Optimierungswahn kann nicht echt sein. Und auch nicht gut. Weder für die Psyche, noch für die Gesundheit. Und mal ehrlich: Wann sieht man denn wirklich mal so perfekte Menschen auf der Straße wie die auf Instagram? Und dann auch noch in solchen Massen? Nie. Niemals. Zumindest ich nicht.

Leute, entspannt euch mal!

Ich wette, dass die Instagram-Muttis heimlich Kindermädchen angestellt haben. Und man weiß ja sowieso, dass die Fotos und Videos von kurz nach dem Aufstehen mit den krassesten Filtern überhaupt versehen sind. Aber trotzdem erwischt man sich doch immer wieder dabei, wie man kurz zur Überprüfung die eigene Handykamera an und auf Selfie-Modus stellt, um sich dann wegen der dunklen Augenringe zu erschrecken, die trotz „Schöne-Haut-Filter“ deutlich aus dem Gesicht hervortreten.

Und wie so oft muss man einfach mal einen Schritt zurück machen und sich sagen: Entspann dich. Dinge zu faken scheint der neue Volkssport geworden zu sein. Und eigentlich sind die zu bemitleiden, die dem Ganzen komplett verfallen sind. Denn sie werden nie ankommen. Weil hinter der nächsten Ecke auch schon der nächste Instagram-Hype lauert, der ihnen schlaflose Nächte bereitet, bis sie ihn umgesetzt haben. Dann doch lieber liebenswürdiger Durchschnitt. Oder? Ich hol mir dann mal nen Burger und nen ordinären Kuhmilch-Kaffee. Oder wenn ich ganz crazy bin: nen Cappuccino.


Wie ist das bei euch so? Lasst ihr euch schnell mal blenden oder entlarvt ihr Faker auf den ersten Blick? Ich bin gespannt auf eure Kommentare, entweder direkt hier auf dem Blog, auf Facebook, Instagram oder Twitter.

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Hallo, ich bin Jenny. Und ich bin ein Marketingopfer.


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