
Ich bin in der Annahme groß geworden, dass man sich möglichst mit allen Leuten gut verstehen muss. Bloß nicht anecken, immer nett sein und unauffällig. Nicht dass die Nachbarn noch reden.
Aber irgendwann merkt man, wie anstrengend das ist. Und das ist ja auch logisch. Denn jeder hat eine andere Meinung. Und jeder davon gerecht zu werden, das schafft kein Mensch. Denn sie sind überall. Diese Miesepeter, die nur darauf warten, dass du irgendetwas machst, das nicht ihrer Spießernorm entspricht. Und manchmal, wenn sie sich schon über Jahre auf dich eingeschossen haben, einfach nur noch darauf, dass du irgendwas machst. Zum Beispiel atmen.
Und dann springen sie beim nächsten Schützenfest auf den Biertisch, zeigen mit dem Finger auf dich und rufen: „Ha, wusste ich doch, dass du nicht ganz dicht sein kannst!“ Gerne umgeben sie sich dabei noch mit einem Gefolge aus Mitläufern, die ihnen gehässig flüsternd beipflichten. Aber immer leise, versteht sich. Nicht dass sie das nächste Opfer sind. Immer schön unsichtbar bleiben.
Egal, wie sehr du dich bemühst: Irgendein Depp kann dich immer trotz allem nicht leiden.
Früher hat mich das fertig gemacht. Dass da Leute sind, die mich nicht leiden können. Obwohl ich doch jedem gefallen will. Und ich habe alles getan, damit sich das ändert. Und auch heute ertappe ich mich manchmal noch dabei. Wenn ich es mir als Dienstälteste zur Aufgabe gemacht habe, neue Kollegen zu integrieren, zum Beispiel. Weil ich weiß, wie scheiße es ist, „die Neue“ zu sein und sich ausgegrenzt zu fühlen. Und in dieser Situation einfach alles tun zu können, um dazuzugehören und es eben gefühlt doch nicht zu tun. Erstmal. Aber auch wie toll es ist, wenn da Menschen sind, die einem den Einstieg erleichtern. Das durfte ich erfahren, als ich neu in meinem letzten Job war. Und das hat mich mit so großer Dankbarkeit erfüllt, dass ich mir geschworen habe, das unbedingt weiterzugeben, sobald ich selbst in dieser Position bin.
Allerdings musste ich feststellen: Nicht jeder will, dass ihm geholfen wird. Auch wenn man den neuen Kollegen so gut wie möglich auf Augenhöhe abgeholt und ihm immer wieder erklärt hat, dass es keine dumme Fragen gibt, der Job sehr umfangreich ist und man nicht aufgeben darf, wenn nicht gleich alles klappt. Und wir trotzdem oder grade deswegen alle zusammenhalten. Einen gibt es immer. Der mich trotz aller Bemühungen einfach nicht leiden kann.
Ich dachte, mit diesen Lästerschwestern sei es irgendwann vorbei. Die kennt man ja schon aus der Grundschule. Aber wenn man besonders Pech hat, verfolgen sie einen bis ins fortgeschrittene Alter, rotten sich von Zeit zu Zeit zusammen und zerreißen sich die Mäuler. Und bisweilen, wenn sie fast platzen vor Neugier und an irgendeinem Punkt mit ihren Theorien und ihren „das ist doch bestimmt so und so“s nicht mehr weiterkommen, löst sich eine – meistens die Rädelsführerin, die sowieso über das vermeintlich größte Insiderwissen zur Sache verfügt – todesmutig aus der Meute und stellt einem pseudo-beiläufig eine Frage, die wieder etwas Licht ins Dunkel der Lästerarmee bringen soll. Um dann triumphierend aus dem Kriegsgebiet zurückzukehren mit neuem Lästerstoff, als Heldin und Versorgerin der ausgehungerten Sippe. Wie gesagt, haters gonna hate.

Auch mit dem Blog muss man so einiges aushalten. Unsere Spendenaktion ist ein grandioses Beispiel. Du spendest Geld für eine gemeinnützige Organisation und trotzdem wird gemotzt. Warum spendet ihr nicht einfach so? Wer bezahlt das? Da gibt’s doch nen Haken? Alles Fragen, die zeigen, wie gepolt wir Menschen schon sind. Dass wir nicht einfach mal hinnehmen können, dass jemand etwas ohne Hintergedanken macht. Und es mal vorsichtshalber pauschal runtermachen. Weil man nicht selbst drauf gekommen ist und Angst hat, da könnte womöglich jemand anderes eine gute Idee gehabt haben? Keine Ahnung. Fakt ist: Wenn du dich zeigst, bietest du Angriffsfläche. Wenn du es nicht tust, aber paradoxerweise noch mehr. Also kann man doch gleich das machen, was einem selbst gut tut.
Ich lästere auch gern mal. Aber immer mit Vorgeschichte.
Ich nehme mich beim Lästern übrigens nicht aus. Ja, es gibt durchaus Menschen, über die ich auch gerne herziehe. Dabei bin ich grundsätzlich erstmal neutral gegenüber jedem, den ich kennenlerne. Schließlich hat jeder das Recht, sich menschlich selbst zu disqualifizieren. Und das dauert bei mir eine Weile und kommt auch eher selten vor. Aber es gibt tatsächlich ein paar wenige Leute, da ist der Ofen einfach aus. Und bei denen stürze ich mich auch mit Wonne auf alles lästernswerte, das sich mir bietet. Aber das hat dann auch so gut wie immer eine tiefe, zwischenmenschliche Enttäuschung zur Vorgeschichte. Ich bewundere Leute, die wirklich so in sich ruhen, dass Lästern gar keine Option ist. Gibt es tatsächlich.
Irgendwann ist mir dann aufgefallen, dass zumindest wirklich grundlose Gehässigkeit gegenüber anderen einfach nur eines zeigt: die eigene Unsicherheit. Auch meine eigene. Wenn ich was gegen jemanden habe, der mir eigentlich objektiv nichts getan hat und auch nicht grundsätzlich in den meisten Dingen eine völlig konträre Einstellung hat, dann muss ich mal in mich gehen und mich fragen: Was löst der in mir aus, das mich so rasend macht? Eine befreundete Psychologin sagte mir mal, dass das interessanterweise oft Eigenschaften sind, die man selbst hat und an sich selbst nicht mag. Pedanterie zum Beispiel. Oder es ist Eifersucht. Weil es die Neue vom Ex ist. Oder Neid. Weil der andere etwas hat oder sich was traut, das ich nicht habe oder wofür ich zu feige bin.
Eifersucht, Neid, Angst. Fast immer ist eins davon der wahre Lästergrund.
Spannend ist auch Angst. Gerade bei Autoritätspersonen. Wenn jemand seine leitende Position nur dadurch verteidigen kann, dass er den anderen ständig zu verstehen gibt, dass er am längeren Hebel sitzt, hat er doch im Grunde Angst, dass mal einer kommt, der es besser macht. Und, Spoiler: Da wird garantiert einer kommen. Denn jeder, der souverän und auf Augenhöhe agieren kann und trotzdem respektiert wird, macht es schon besser. Diese Erkenntnis hat mir vor allem im Job geholfen, bestimmte Personen, die mir früher richtig Furcht eingeflößt haben, etwas realistischer zu sehen. Schlaflose Nächte mit einem mitleidsvollen Schulterzucken und dem Gedanken „Karma wird’s schon richten“ ersetzen zu können, erleichtert das Leben ungemein.

Das alles ist irgendwo menschlich. Man sollte sich jedoch trotzdem ab und zu fragen, woher die Hasstiraden kommen, die bei gewissen Menschen in einem aufsteigen. Und ob man seine Energie nicht anders einsetzen könnte. Zum Beispiel, indem man akzeptiert, dass die Leute eben verschieden sind und stattdessen an seiner eigenen Zufriedenheit arbeitet. Bei der ganz offensichtlich was im Argen liegt. Und das beginnt damit, auf übergriffige Meinungen von anderen einfach mal zu scheißen. Und andersrum einzusehen, dass auch die eigene Meinung, so geil man sie selbst finden mag, nicht zwangsweise jeden interessiert. Vor allem, wenn sie in sehr persönliche und subjektive Bereiche eingreift.
Go where you are wanted.
Nicht jeder muss mich mögen. Aber es könnte sein, dass er dadurch ganz schön was verpasst ;).
Zu welcher Fraktion gehört ihr? Beeinflusst euch die Meinung anderer stark oder gar nicht? Und könnt ihr leben und leben lassen oder ertappt ihr euch auch dabei, anderen öfter mal die Butter auf dem Brot nicht zu gönnen? Ich freue mich auf eure ehrliche Selbstreflexion, hier, auf Facebook, Instagram oder Twitter.
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