Wenn Frauen öffentlich gegen eine Datingshow sowie deren Bewerbung auf Plakatwänden protestieren, weil sie darin eine sexistische Herabwürdigung sehen, eine CDU Politikerin von Verletzung der Menschenwürde spricht und ein TV-Sender das Ganze als ein gesellschaftskritisches Thema verkauft, dann sollte man sich die Sache vielleicht einmal genauer ansehen.

Aber von vorne. Mein Interesse wurde durch einen Facebook-Post der Regisseurin Daniela König geweckt, die mit erhobenem Mittelfinger vor einer Plakatwerbung kniend, dessen diskriminierende und sexistische Sprache anprangerte. Auf dem Werbeplakat zu sehen: drei Damen mittleren Alters und die Überschrift „Freitags ist MILF Time“. Kurz zur Erklärung, MILF ist die Abkürzung für „Mom I’d like to fuck“. Zu Recht sagt König, dass „niemand als fickbares Objekt bezeichnet werden“ dürfe und ging gegen die Werbung vor. Unter dem Hashtag #milfistkeinkompliment rief sie dazu auf, entsprechende Werbeplakate aus dem öffentlichen Raum entfernen zu lassen. Mit Erfolg. Der Pro-Sieben-Sat-1-Streamingdienst Joyn, der das Datingshow Format ausstrahlt bestätigte, dass man auf die Verwendung des Wortes MILF beziehungsweise auf die Werbung zukünftig gänzlich verzichten wolle.
Der Ausdruck MILF ist übrigens keine neue Erfindung der Werbeindustrie. Populär geworden ist er 1999 durch den Film „American Pie“, in dem „Stiflers MOM“ als UR-MILF das Begierdeobjekt in feuchten Träumen bumswütiger Teenager war. Damals ein großer Lacher und erstaunlicherweise keineswegs Anstoß für eine feministische Debatte.
Neue Überschriften können nicht über den Inhalt hinwegtäuschen
Aus dem Titel der Show „M.O.M. – Milf oder Missy“ wurde ein Einfaches „M.O.M“ gemacht. Wäre ich ahnungslos, würde mich der Titel als 40jährige Mutter vermutlich sogar ansprechen. Zumindest wäre meine Neugierde geweckt, denn offensichtlich gehöre ich ja zur Zielgruppe.
Aber was ist das nun für eine Show, die derartige Werbung schaltet und seine Teilnehmerinnen in „Mütter, die man f***en möchte“ und „junge Fräulein“ einteilt? Angefixt durch die vorangegangene Diskussion, habe ich mir tatsächlich die Mühe gemacht und mir die ersten drei Folgen dieser ominösen Datingshow angetan.
Zum Inhalt: Ein 28-jähriger „Junior“ und ein 57-jähriger „Senior“ buhlen um die Gunst 14 datingwütiger Damen, um am Ende, natürlich, die Frau für’s Leben zu finden. Formate wie diese gibt es wie Sand am Meer, Frau sucht Mann, Mann sucht Frau. Man schickt die Teilnehmer irgendwohin, wo es warm ist, um möglichst viel nackte Haut zeigen zu können…gähn… kennen wir schon alles. Die Idee dieser Sendung ist nun, dass sich 7 Frauen Mitte 20 (Missies) 7 weiteren Frauen zwischen 37-46 Jahren (MILFS) gegenüberstehen. Interessanterweise sind nur einige der 14 Damen überhaupt Mutter, was die Begrifflichkeit MILF eigentlich schon aushebelt, aber das sind Nebensächlichkeiten und schnell vergessen, wenn man sich die illustre Runde genauer ansieht.
Manches ist tatsächlich nur mit Alkohol zu ertragen
Bereits am ersten „Kennenlern-Abend“ wird klar, wo der Hase langläuft. Das Gros der Damen, egal ob jung oder alt, fliegt auf den durchtrainierten Fitnesstrainer Marco, der als „kroatischer-Latinboy“ mit seinem jugendlichen Charme die Blicke auf sich zieht. Der Senior Felix kann mit seiner bewusst betonten, eloquenten Art nicht Punkten. Man hat eher das Gefühl, dass einige der Damen seinen Ausführungen intellektuell gar nicht folgen können.
Es fließt Alkohol in Strömen, wie übrigens in fast allen Szenen der Show. Vermutlich, weil diejenigen der Frauen, denen erst jetzt bewusst wird, in was für ein Format sie da eigentlich reingerutscht sind, versuchen, sich das Ganze irgendwie schön zu trinken. Bei Kommentaren wie: „Dafür, dass dein Outfit kein Kleid war, sieht es doch ganz okay aus“ überlege sogar ich, ob ich nicht mit dem Trinken anfangen soll, um die nächste Folge zu ertragen.

Im weiteren Verlauf der Show stellen sich die Männer näher vor. Junior Marco ist ein „totaler Familienmensch“, hatte aber noch nie eine Beziehung. Der arme Kerl. Um diese Aussage zu betonen, wird seine Schwester gezeigt, die den Kandidatinnen Sliwowitz-trinkend auf den Zahn fühlen soll. Senior Felix hingegen ist ein „gestandener Mann“, der nicht müde wird, davon zu erzählen, in welchem Luxus er lebt und was für ein toller Architekt er ist. Ich habe recherchiert, er ist tatsächlich Architekt. Vermutlich wir er nach dieser Show keine Aufträge mehr bekommen, aber das ist eine andere Geschichte.
Als die Missies ihn in seiner Heimatstadt Berlin besuchen dürfen und dann auch noch von einer Stretchlimo (kreisch) abgeholt werden, kippt das Meinungsbild plötzlich in Richtung Geld…äh sorry… ich meinte natürlich Senior. Wie interessant kann ein Mann plötzlich werden, wenn er Kohle auf dem Konto hat. Wie gebannt hängen die Damen jetzt an den Lippen des Seniors, der ja eigentlich doch nicht mehr so unattraktiv ist, der alte Sugar Daddy.
Zumindest die Missies erfüllen ab jetzt jegliches Klischee des „dümmlich, naiven Fräuleins“, das sich durch Autos und Häuser beeindrucken lässt. Der Höhepunkt der Folge wir erreicht, als die Freunde des Seniors zu Besuch kommen und die Missies in Augenschein nehmen dürfen. Diese werden, wie auf einer Viehschau, nacheinander präsentiert, was den anwesenden Freunden anerkennende „OOHs“ und „AAhs“ entlockt.
MILF ist kein Kompliment!
An dieser Stelle frage ich mich, warum sich Frauen für ein derartiges Format bewerben. Die Begrifflichkeiten MILF und Missy werden von den beiden Männern in jedem 2. Satz benutzt. Man kann also auch nicht behaupten, dass die Damen nicht wussten, auf was sie sich einlassen. Sie lassen sich wissentlich in sexistische Kategorien einteilen und somit instrumentalisieren. Sollte eine Frau im Jahr 2020, egal ob egal 20 oder 50 Jahre alt, nicht mehr Würde und Selbstachtung haben? Es kann doch nicht sein, dass man für 5 Minuten TV Fame seine Prinzipien über Bord wirft und freiwillig eine Angriffsfläche für sexuelle Diskriminierung bietet.
Ich will nicht die Opfer zu Tätern machen. Das liegt mir absolut fern. Frauen, die sexuell diskriminiert werden, dürfen nicht den Stempel aufgedrückt bekommen, dass sie selbst schuld daran sind. Aber wäre es nicht sinnvoll gewesen, keinen Vertrag für eine Show zu unterschreiben, in dem man seine „FUCKABILITY“ als MILF unter Beweis stellen und sich dann auch noch permanent als solche ansprechen lassen soll?
#milfistkeinkompliment und du kein Stück Fleisch. PUNKT!
Die Stellungnahme des Senders zu den Begrifflichkeiten MILF und MISSY lautete übrigens wie folgt: „Die Intention hinter dem Format ist, Rollenklischees aufzubrechen und sich mit der Thematik Altersunterschied in der Beziehung auseinanderzusetzen – ein polarisierendes Thema in unserer Gesellschaft. Deshalb haben wir uns gezielt für kontroverse Formulierungen entschieden.“ Aha…
Wie sehr Rollenklischees aufgebrochen werden zeigt uns die Show ja mit ihren, abwechselnd einem Six-Pack respektive Geldbeutel hinterhersabbernden, Frauen, die unter ständigem Alkoholeinfluss, hysterisch kichernd von Date zu Date geschoben werden und darauf warten, endlich 5 Minuten allein mit ihrem „Auserwählten“ zu sein. Sorry Mädels, dieses Format tut absolut nichts für euch und die Emanzipation der Frau.

Ich kann euch leider auch nicht sagen, wie die Geschichte ausgeht, ich musste nach drei Folgen abschalten, weil ich den Brechreiz nicht mehr unterdrücken konnte. Reinschauen lohnt sich jedenfalls nicht. Macht euch lieber eine Flasche Sekt mit eurer besten Freundin auf und schaut auf eine Hauswand. Das ist tiefgründiger.
Übertriebener Feminismus oder eine notwendige Diskussion? Wo fängt für dich Sexismus an?
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