Mutter Ü40?

Eine Frage, die mich schon sehr lange begleitet. Eigentlich zu lange. Für mich stand schon in Teenagerjahren fest, dass ich einmal eine Familie haben werde. Und Kinder. Vermutlich ganz klassisch zwei. Mit 25 verheiratet sein, vor 30 mindestens das erste Kind. Denn eine Mutter Ü40 wollte ich auf keinen Fall sein. Was für ein schrecklicher Gedanke.

Als ich angefangen habe zu studieren, wurde mir recht schnell klar, dass das mit der 25 vermutlich eher nicht hinhauen wird. Ich hatte zwar einen Partner, aber das Studium stand erstmal im Vordergrund. Da ich nach dem Magister noch einen MBA anhängte, um bessere Chancen im Job zu haben, würde ich vor 27 nicht fertig damit sein. Ein bisschen arbeiten sollte man ja vielleicht auch noch, bevor man dem Arbeitsmarkt vorübergehend nicht oder nur teilweise zur Verfügung steht. Ok, die Hochzeit kann man ja auch nachlagern. Das mit dem Partner hatte sich aber inzwischen auch wieder erledigt. Und so war ich ruckzuck 30, zwar nun mit einigen Jahren Berufserfahrung, aber eben ohne Partner. Wieder ging der Plan nicht auf.

In meinen 20ern habe ich auch noch mit einer Mischung aus Mitleid und Häme auf Mütter Ü35 herabgeschaut. Hast wohl keinen gefunden, der’s mit dir ausgehalten hat? War die Karriere wichtiger? Bestätigt wurde mir dieses Denken durch einen Fall in meinem näheren Umfeld, bei dem eine Frau mit 37 nach einem nochmaligen One Night Stand mit ihrem Exfreund plötzlich schwanger war. Oopsi, wie konnte das denn passieren?

Ich war hin- und her gerissen zwischen Abscheu und Schockiertsein, wie so was geplant werden kann und dann auch noch auf Anhieb funktioniert. Und bis heute ist sowas keine Option für mich, denn man bezahlt doch einen hohen Preis. Sie blieb alleinerziehend und bekam es finanziell kaum gestemmt. Ganz zu schweigen von dem angeknacksten Vertrauensverhältnis zum Vater des Kindes. Aber dennoch kann ich mich heute ansatzweise irgendwie in ihre Lage versetzen.

„Wer unbedingt Kinder will, hat ein Problem mit sich selbst.“

In Gesprächen mit jüngeren Freundinnen oder auch Frauen, die keine Kinder möchten, bekomme ich oft gespiegelt, dass das ein Thema ist, das für sie sehr weit weg ist. Ist es auch und war es für mich lange ebenfalls. Eine Bekannte Mitte 40 sagte mir vor einigen Jahren, als ich ihr gegenüber äußerte, dass ich schon einen sehr starken Kinderwunsch und Angst habe, dass dieser sich nicht erfüllen wird, dass sie das egoistisch findet und man sich mal überlegen soll, ob man nicht ein Problem mit sich selbst hat, wenn man so unbedingt Kinder möchte.

Bäm. Ich weiß bis heute nicht, ob sie das wirklich so gesehen hat oder ob es einfach eine Reaktion auf ihr eigenes Verzweifeln darüber war, dass das Kinderthema für sie rein biologisch sozusagen durch war. Jedenfalls fand ich das ganz schön übergriffig.

Je älter ich wurde, desto mehr fühlte ich mich allein damit. Niemand in meinem Umfeld war in einer vergleichbaren Situation. Ich mag diesen Totschlagsatz eigentlich nicht, weil er oft genau dann gebracht wird, wenn einem die Argumente ausgehen. Aber was ich meinem 26jährigen Ich heute sagen würde: Du kannst nicht wissen, wie sich das anfühlt, wenn du nicht selbst in der Situation bist. Wenn Leute dir etwas absprechen wollen, das sie selbst aktuell emotional nicht betrifft, was aber immer ein ganz klarer Lebenstraum für dich war, dann ist das hart. Und unfair.

In seinen 20ern beschäftigt man sich nicht damit, weil man vermeintlich noch ewig Zeit hat. Und weil man sich nicht mit dem Gedanken auseinander setzen möchte, dass es einem vielleicht mal aus diversesten Gründen genauso gehen könnte. Nö, mir wird das nicht passieren. Das kann man doch steuern. Wer das nicht auf die Kette kriegt, ist vermutlich selbst Schuld.

Die Dunkelziffer ungewollter Kinderlosigkeit ist riesig.

Dabei gibt es laut meiner Frauenärztin eine riesige Dunkelziffer von Frauen, die selbst Anfang oder Mitte 20 nur sehr schwer schwanger werden. Aus medizinischen Gründen. Oder aus psychischen. Weil Familie und Partner großen Druck ausüben. Vielleicht waren die Frauen, die mit Ende 30 oder sogar Anfang 40 ihren Kinderwunsch noch nicht aufgegeben haben, lange krank. Oder in einer zerstörenden Partnerschaft. Oder mussten erstmal selbst ihr Leben so weit stabilisieren, dass sie sich bereit fühlten, für einen anderen Menschen zu sorgen.

Und ja, natürlich gibt es auch die, die sich für die Karriere gegen eine frühere Schwangerschaft entschieden haben. Darüber lässt sich streiten, mein Ding wäre es nicht gewesen. Schon aus rein biologischer Sicht. Hätte ich die Möglichkeit gehabt, wäre ich gerne Anfang 30 schwanger geworden. Die gab es aber nicht. Punkt. Und selbstverständlich gibt es für mich auch eine hypothetische Grenze. Irgendwo Mitte 40. Nicht mal so sehr, weil ich Angst habe, eine alte Mutter zu sein. Sondern eher aus medizinischen Gründen.

Neulich hielt mir meine Hausärztin einen Vortrag darüber, dass man Ü40 lieber auf Kinder verzichten sollte. Weil man immer müde ist. Oh ja, dann verwerfe ich das natürlich.

Aber was ich sagen möchte: In diesem Fall ist es wirklich fatal, ein Pauschalurteil zu fällen. Auch oder grade, weil ich selbst so altklug dahergeredet habe, als ich noch jünger war, trifft es mich wirklich, wenn ich junge Frauen darüber philosophieren höre, dass das erste Kind mit 28, das zweite mit 30 und das dritte mit 32 kommen soll und alles danach einfach GAR nicht geht.

Liebe Mädchen, planen kann man viel. Vielleicht merkt Ihr mit 29, dass der Typ, den Ihr mit 20 noch supersüß gefunden habt mit seiner Verpeiltheit, leider kurz vor der 30 noch immer nichts auf der Reihe hat, ganz zu schweigen einen Job und die Fähigkeit, sich um eine Familie zu kümmern. Und dann trennt Ihr Euch und seid erstmal ein paar Jahre Single.

Und dann? Seid Ihr sicher, dass Ihr, wenn das nicht so hinhaut, dann einfach leichtfertig sagt „Ach ja ok, ich wollte ja nach 32 keine Kinder mehr und schon gar keine 3, dann krieg ich eben keine.“? Ich will nicht spoilern, aber ich verspreche Euch: Wenn Euer Kinderwunsch stark und wahrhaftig ist, wird das nicht so sein. Dann verschieben sich die Grenzen und der Plan wird eben von ideal auf nicht-ganz-ideal-aber-immer-noch-ok angepasst. Die Toleranz sich selbst gegenüber wird da auf einmal sehr viel größer. It’s magic.

Weil ein Kinderwunsch keine Laune ist. Sondern die Vorstellung von einem Leben, die man vielleicht schon immer hatte. Und sich davon verabschieden zu müssen, ist eine einschneidende Sache. Keine „alte Mutter“ sein zu wollen, ist ein legitimer Wunsch. Aber man sollte nicht aus den Augen verlieren, dass es durchaus nicht wenige Faktoren gibt, die das ganz schnell kippen könnten. Und auch wenn man den Gedanken lieber wegschiebt, gilt auch hier der Spruch: Sei nett. Du hast keine Ahnung, welchen Kampf der andere gerade kämpft.


Wie geht Ihr als betroffene Singles mit dem Thema späte(re) Mutterschaft um? Müsst Ihr Euch auch oft kluge Sprüche anhören? Oder ist Euer Kinderwunsch gar nicht so groß, dass er unbedingt, auch mit über 40, noch umgesetzt werden muss?

Lasst es uns wissen, in den Kommentaren oder auf Facebook, Instagram und Twitter.

Weitere interessante Beiträge zum Thema SINGLE findet Ihr hier.


9 Antworten zu „Mutter Ü40: Hast du sie noch alle?”.

  1. Avatar von Simone Heinz
    Simone Heinz

    Du sprichst mir aus der Seele – auch wenn ich nicht Single bin, aber ohne Kinder und Ü40. John Lennon wusste schon „Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.“ Es bleibt uns nichts anderes übrigen, als die Dinge so zu nehmen, wie sie sind. Und trotzdem finde ich, dass man an seinen Wünschen und Träumen festhalten darf – da kann das Alter nicht viel machen…

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    1. Avatar von Jenny

      Liebe Mone, danke für Deinen Kommentar. Ich sehe das ganz genau so. Natürlich bringt es nichts, es zu erzwingen. Dann klappt es nämlich gleich zwei Mal nicht. Aber seinen Traum nicht aufzugeben, bis man wirklich an dem Punkt ist, dass man loslassen kann, finde ich absolut richtig und legitim. Wir schaffen das schon :).

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  2. Avatar von Marina

    Ohja!!!
    Ich werd heuer 27 und bin seit zwei Jahren Single. Nach einer Beziehung, die seit dem 16. Lebensjahr ging und eigentlich in dem Jahr der Trennung in einer Hochzeit gipfeln sollte. Aber dann hatte ich wohl Torschusspanik und ob das alles gewesen ist, in meinem Leben. Weil nach der Hochzeit war für ihn klar, drei Kinder, Frau daheim, für ihn ändert sich nichts. Und das wollte ich nicht. Nicht mit 25. Und so ist die Beziehung zerbrochen.
    Ich kann mir auch jetzt mit fast 27 nicht vorstellen, so schnell Mama zu werden.
    Aber die Tatsache, dass ich seit 2 Jahren auf Mr. Right warte, macht das ganze nicht einfacher. Irgendwie rückt die magische 30 an, und rundum hört man, nach 30 braucht man keine Kinder mehr bekommen. Da ist man doch eine uralte Mami.
    Da kommt man dann schon ins grübeln und teilweise zur Verzweiflung 😥

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    1. Avatar von Jenny

      Liebe Marina, vielen Dank für Deine Gedanken. Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Auch diese Panik vor der 30. Und wahrscheinlich lache ich in 10 Jahren über meine Panik vor der 40, aber was ich Dir heute, kurz vor meinem 40. Geburtstag, sagen kann: Ich würde viel darum geben, mit meiner (vergleichsweise) Gelassenheit von heute nochmal 30 zu sein. Du hast wirklich noch eine Menge Zeit. Vielleicht hast Du auch den Artikel zu diesem Thema von Jasmin gelesen, in dem einige Statistiken enthalten waren. Fast die Hälfte aller Mütter heutzutage sind zwischen 30 und 39. Und das Durchschnittsalter (!, das bedeutet, dass da auch eine Menge Frauen viel älter sind) beim ersten Kind ist 30.
      Mein Rat an Dich, auch wenn er abgedroschen klingt: Entspann Dich. Je mehr Du versuchst, den nächsten Mr.Right zu finden, der all Deine Checkboxen auf der Liste abhakt, desto weniger wird es funktionieren. Weil Du keine Zeit mehr mit dem Falschen verschwenden willst. Und dann komplett verkrampft an die Sache rangehst. Aber Du wirst ihn nur finden, wenn Du weiter ausprobierst. Und wenn Du nach 6 Monaten merkst, der war es doch nicht, ist das halt so. Dann geht es weiter. Aber konzentriere Dich auf Dich, genieße Dein Leben und mach einfach alles, was Dir Spaß macht. Der Rest kommt von allein.
      Ich kann diese Phrasen auch nicht mehr hören, aber am Ende des Tages sind sie leider einfach wahr :). Alles Liebe!

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  3. Avatar von Tomma
    Tomma

    Ich bin wohl sowas wie eine „Spätentwicklerin“, sowohl privat als auch beruflich. Ich hab mir mich bis Anfang 30 nicht mal entfernt als Mutter vorstellen können. Mit Mitte 30 hab ich meinen Mann kennengelernt, seit letztem Jahr sind wir verheiratet. Und obwohl es inzwischen „jetzt oder nie“ ist und obwohl ich es mir nun vorstellen kann ein Kind zu haben (von mehr als einem wollen wir gar nicht erst reden), zögere ich immer noch, schwanger zu werden. Weil ich mir eben auch vorstellen kann, dass es mich total überfordert und unglücklich macht, ein Kind zu haben. Nächsten Monat werde ich 39, aber die endgültige Entscheidung hab ich immer noch nicht getroffen.

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    1. Avatar von Jenny

      Ich kann deine Gedanken sehr gut nachvollziehen, mir geht es ganz ähnlich. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich das packen würde und hätte gern nich mehr Zeit, mir darüber klar zu werden.

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  4. Avatar von Beatrice
    Beatrice

    Ich beneide (schlimmes Wort, finde aber kein besseres) die Frauen, die schon immer wussten, dass sie unbedingt Mutter werden wollen und dann ganz gezielt nach einem Samenspender-Partner gesucht haben und gefunden, Hauptsache sie können ihren Traum von eigenen Kindern erfüllen und haben ein Männchen an der Seite, was sie dabei unterstützt, ob echte Liebe dabei eine Rolle spielt bin ich mir da nicht immer sicher. Wenn man eher so gestrickt ist wie ich, dass man sich ein bisschen davor gefürchtet hat, Kinder zu bekommen, weil der eigene Trieb einem das so nicht unbedingt biologisch aufgezwungen hat, sondern man eher andere Interessen hatte, vielleicht sogar an echte Liebe geglaubt hat, sie gesucht hat und gescheitert ist, einen dann aber das Ticken der biologischen Uhr aufweckt und gnadenlos aufzeigt, wie grau und trist die zweite Lebenshälfte ohne eigenen Familie droht, kann einem wirklich existentiell finster um die eigene Seele werden.
    Ja, ich beneide die Vollblutmoms, ich wäre auch gerne so, ich bin aber dummerweise anders und muss dafür jetzt im tiefen Tal büßen.
    Weiß jemand einen Rat?
    Beatrice

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    1. Avatar von Jenny

      Hallo Beatrice, ein Patentrezept gibt es dafür wohl nicht. Vielleicht tröstet dich aber, dass auch die „Samenspenderlösung“ nicht für jeden die komplette Erfüllung bringt. Man lebt dafür vielleicht in einer nicht erfüllenden Beziehung. Und ich denke, da unterschätzt man häufig, welche Belastung man damit unter Umständen sich selbst und auch dem Kind aufbürdet.
      Ich möchte das überhaupt nicht werten, aber was ich sagen will: man muss sich auch bei so einer vermeintlich perfekten Lösung im Klaren sein, dass man hier nicht nur für sich selbst entscheidet.
      Ich bin weit davon entfernt, mir ausmalen zu wollen, was mit mir passiert, wenn ich kinderlos bleiben sollte. Aber grundsätzlich habe ich gelernt, dass es nichts bringt, sich den Rest seines Lebens dafür fertig zu machen. Man muss immer versuchen, das Beste aus dem zu machen, was einem das Leben grade anbietet. Sonst wird man ewig etwas hinterherlaufen, das sich vielleicht nie erfüllt. Alles Gute dir.

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  5. Avatar von www.brittas-deutschtraining.de
    www.brittas-deutschtraining.de

    Hi Jenni, ich habe mir gerade die „Kinderwunsch“ -Beiträge durchgelesen, von deinem aktuellsten bis hin zu diesem hier. Ich bin zwar kein Single, aber im gleichen Alter wie du und hsbe keine Kinder und habe dieselben Gedanken wie du manchmal. Ich dachte auch, dass ich mit 30 meinen festen Job habe, meinen damaligen Freund, mit dem ich immerhin 10Jahre zusammen war heiraten würde und dann Kinder bekomme.
    Und wuups kam alles total anders. Ein langer schwerer Lernprozess, da ich innerlich und äußerlich alles verloren hatte. Das hat lange gedauert. Dann traf ich meinen Mann mit Mitte 30. Mein Seelenverwandter, mit dem ich mir alles vorstellen kann, auch Kinder. Aber nach vielen Jahren des äußeren und inneren Verlust, kommt danach die Aufbauphase. Nicht allein, zusammen mit meinem Mann zum Glück und später auch ist meine Stammfamilie auch wieder ein Teil.davon, aber das wäre eine andere Geschichte. Trotzdem haben wir (noch) keine Kinder. Wir genießen die Zeit zusammen und schauen, dass wir weiter unsere Arbeit aufbauen. Noch keine Wohlfühlzone für dauerhafte Kinder. (Am Wochenende kommen unsere Nichte und Neffe unserer temporären Kinder 😉 ) Aber die Uhr tickt. Und manchmal erfasst mich das wie vieles andere mit voller Wucht. Aber stark sein und hoffentlich bleiben, dafür sind absolut schwere Jahre, die man durchlebt, im Endeffekt eine Hilfe, die einem sagt: Es wird immer irgendwie weitergehen und das Leben wird anders aber trotzdem oder gerade deswegen wundervoll. Alles Liebe Britta

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