Bio, Nachhaltigkeit, Öko … manchmal kann ich diese ganzen Wörter nicht mehr hören, weil sie von vielen Firmen als Worthülsen für ihre Marketingzwecke genutzt werden. Momentan ist es Mode, überall Bio draufzuschreiben, um dem Verbraucher vorzugaukeln, dass er da ein unheimlich wertvolles Produkt kauft, das liebevoll produziert, von Hand verpackt und im Bollerwagen in den Laden gezogen wurde. Aber wenn man sich einmal etwas genauer mit den Dingen beschäftigt, wird man feststellen, dass ganz viel Schein und Augenwischerei dabei ist.
Nicht überall wo Bio draufsteht, ist auch wirklich Bio drin. Ein Beispiel. Diese Woche wurde ich Zeuge eines Gesprächs in meinem Supermarkt. Wirklich so passiert! Ich stehe in der Obst- und Gemüseabteilung, da höre ich hinter mir zwei Supermarktangestellte über Trauben sprechen. „Schau mal, die Bio-Trauben hier. Die kommen aus Chile. Die waren mit dem Schiff locker 4-5 Wochen unterwegs. Und dann stellen wir die hier ins Regal und sie fangen nach einem Tag an zu schimmeln. Das ist doch Mist.“
Wo Bio drauf steht, ist nicht immer Bio drin
Dass ich seit Tagen überlege über genau dieses Thema zu schreiben und jetzt dieses Gespräch höre, ist beinahe unheimlich. Aber noch unheimlicher ist die Tatsache, dass fast alle Bio-Produkte in dieser Abteilung irgendwo aus Italien, Spanien oder weiter entferntem Ausland kommen. Selbst so unglaublich „exotische“ Produkte wie Möhren kommen aus Dänemark. Diese „Bio-Möhre“ aus Dänemark ist sicher nicht erst drei Tage alt, hat einen weiten Transportweg hinter sich und ist in Plastik verpackt. Die Ökobilanz[1] einer solchen Möhre ist also, reden wir nicht um den heißen Brei herum, für den Arsch.
Vielleicht können wir unser Gewissen beruhigen, weil wir uns für das „Bio-Produkt“ entschieden haben, aber mit Bio hat das, rechnet man alle Faktoren zusammen, nichts mehr zu tun. Einzig die Herstellerfirma lacht sich ins Fäustchen, weil der Verbrauer einen teureren Preis für das vermeintlich „bessere“ Produkt ausgibt, am Ende aber doch nur zweifelhafte Ware bekommt.

An dieser Stelle möchte ich noch erwähnen, dass ich keine Expertin in Sachen Nachhaltigkeit bin. Da gibt es andere, die weitaus konsequenter als ich mit diesem Thema umgehen. Aber es gab vor einigen Jahren eine NDR-Reportage, die mich dermaßen beeindruckt hat, dass ich angefangen habe, mein Konsumverhalten zu überdenken. Eine Hamburger Familie hat für einen Selbstversuch vier Wochen lang auf Plastik verzichtet. Nicht nur darauf, neues Plastik, also zum Beispiel in Plastik verpackte Lebensmittel, zu kaufen, sondern sie hat auch das vorhandene Plastik aus dem Haushalt verbannt. Vor und nach dem Versuch wurde die Belastung durch Schadstoffe im Körper gemessen und die Studie hat ergeben, dass die Werte zwischen 30-80% zurückgegangen waren. Allein durch den Verzicht von Plastik.
Als ich diese Dokumentation vor fünf Jahren gesehen habe, war ich sehr erschrocken über diese Ergebnisse. Besonders die Tatsache, dass die Fruchtbarkeit bei Jungen durch die hohe Belastung von Schadstoffen im Körper beeinflusst wird, hat mich schockiert. Mir ging es damals nicht um Mikroplastik im Meer oder die Reduzierung von Müll. Sondern schlichtweg darum, dass meine Familie und ich gesünder leben könnten, wenn wir bewusster einkaufen beziehungsweise auf Dinge verzichten würden.
Ich glaube, genau hier liegt der Hund begraben. Nicht jeder kennt sich mit dem Thema Nachhaltigkeit aus. Aber jeder bekommt ständig gesagt, du musst dies oder das tun, damit sich die Erde und die Ozeane nicht weiter erwärmen, damit der Müllberg nicht wächst und das Ozonloch nicht größer wird. Aber viele haben schlichtweg keinen Bezug zu diesen Themen.
Viele haben beim Begriff „Bio“ das Bild der körnerkauenden, in grauen Leinenhosen und Lederschlappen herumlaufenden „Ökos“, im Kopf, die mit ihrer veganen Lebensweise die Welt retten wollen.
„Das ist nichts für mich. Ich hab’s gerne schick, schminke mich gerne und esse gerne mal ein Steak“, werden viele denken. Aber das eine schließt das andere nicht aus. Zumindest nicht grundsätzlich.
Über einen weinenden Emoji geht das Engagement nicht hinaus
Das wir alle umdenken müssen, steht außer Frage. Aber die Leute sind überreizt von Bildern abgeholzter Wälder oder von in Plastik gefangenen Tieren im Meer. Solche Bilder werden im Internet gerne mit einem weinenden Emoji kommentiert, aber fünf Minuten später haben die meisten das Thema bereits wieder vergessen. Man müsste viel mehr dort ansetzen, wo es wirklich weh tut, bei den Leuten selbst. Würde man darüber besser aufklären, dass die eigene Gesundheit den Bach runter geht und es wichtig ist, weniger Plastik „zu konsumieren“, weil wir und unsere Kinder davon krank werden und sich durch Spätschäden das ganze Leben verändern kann, dann würden vielleicht einige früher umdenken. Jeder ist sich eben selbst am nächsten.

Genauso ist es mit dem Greta Thunberg Phänomen. Für einige ist sie die revolutionäre Galionsfigur der Klimaaktivisten, für viele nur ein wichtigtuerisches Mädchen, das zum Schulstreik aufruft. Und warum ist das so? Weil wir uns von einer 17-Jährigen nicht die Welt erklären lassen wollen? Oder weil für viele der Begriff „Klimawandel“ zu abstrakt ist. Ja, den gibt es, aber das ist ja so weit weg von mir. Bewegt es mich, ob die Polkappen schmelzen? Wenn aber meine Kinder hohe Schadstoffwerte im Blut haben, weil sie jeden Tag mit dem Plastikmist aus dem Discounter spielen, dann erreicht mich das emotional sehr wohl. In diesen Bereichen sollte es meiner Meinung nach viel größere, medienwirksamere Aufklärung geben. Wir neigen doch auch sonst dazu schnell in Unruhe zu verfallen, wenn eine Krankheit auf uns zukommt. Siehe Corona Virus. Warum haben wir diese Unruhe nicht, wenn unser Baby permanent auf einem Plastikbeißring herumkaut?
Jeder kann seinen Teil beitragen
Ich sage nicht, dass jetzt jeder mit dem Müllsack durch das Haus rennen soll, um das ganze Plastik zu entsorgen. Ich selbst bin weit davon entfernt alles richtig zu machen. Aber jeder kann sein Konsumverhalten hinterfragen. Und das in ganz vielen Bereichen: Wie und aus was wurde meine Kleindung hergestellt? Muss ich das aggressive Putzmittel verwenden oder gibt es vielleicht eine biologische Alternative? Bin ich bereit ein paar Euro mehr für Obst und Gemüse aus dem Bioladen auszugeben, habe dafür aber Essen, das vom Bauernhof um die Ecke kommt? Ist mein Kind nicht auch zufrieden mit einem gebrauchten Spielzeug? Das gesparte Geld kann ich dann ja für deutsche Bio-Möhren ausgeben…

Es gibt so unglaublich viele Stellen, an denen man anfangen kann. Aber es bedeutet eben auch ein Verlassen der Komfortzone. Nachhaltig leben ist ein bisschen wie wählen gehen. Die einen sagen, es ändert sich eh nichts, was soll ICH schon ausrichten. Die anderen haben begriffen, dass viele kleine Teile auch ein großes Ganzes ergeben. Klingt jetzt sehr pathetisch, aber irgendwo müssen wir ja anfangen.
[1] Ökobilanz = eine systematische Analyse der Umweltwirkungen von Produkten während des gesamten Lebenszyklus hinweg. Hierzu gehören sämtliche Umweltwirkungen von der Produktion, der Nutzungsphase und der Entsorgung des Produktes. Zu den Umweltwirkungen werden alle umweltrelevanten Entnahmen aus der Umwelt (z.B. Erze, Rohöl) sowie die Emissionen in die Umwelt (z.B. Abfälle, Kohlendioxidemissionen) gezählt.
Ich selbst stehe ganz am Anfang, ein nachhaltiges Leben zu führen. Wieviel BIO steck in dir?
Wer noch mehr zum Thema Nachhaltigkeit lesen möchte, kann mal bei der lieben Suse von Ich lebe! Jetzt! vorbeischauen. Die dreifach-Mama erzählt in ihrem Blog von ihrem Versuch, nachhaltig zu leben.
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