Ich kann mich nicht gut von Dingen trennen

Ich trenne mich nicht so gerne von Dingen. Weil ich von klein auf gelernt habe, dass man Sachen, die noch gut sind, nicht einfach wegschmeißt. Meine Großeltern konnten sich, mit quasi nichts gestartet, mit viel Arbeit irgendwann ein Haus leisten. Und so wurde uns über die Generationen weitergegeben, dass man nur mit Sparsamkeit und Achtung vor dem, was man hat, etwas erreichen kann.

So besitze ich noch alle meine Bücher aus der Schule und dem Studium (da könnte man ja mal was nachschlagen müssen), bei meinen Eltern über der Garage türmen sich alte Spielsachen, in meinem Schrank Dinge, die ich seit Jahren nicht mehr oder noch gar nie angehabt habe. Und in Omas Garage steht mein altes Golf III Cabriolet. Verstaubt und inzwischen auf den Felgen. Weil ich mir irgendwann ein zuverlässigeres Auto zulegen musste, um ohne Abschleppdienst zur Arbeit zu kommen. Und es nicht über’s Herz gebracht habe, es an jemanden zu verkaufen, der es nur als Ersatzteillager missbrauchen würde.

Dass ich eigentlich keine Gelegenheit mehr habe, damit zu fahren, die schwarzen Ledersitze im Sommer unerträglich heiß werden und man bei 30 Grad und Regen ohne Klimaanlage auch in einem Cabriolet keinen großen Spaß hat, ignoriere ich bis heute erfolgreich.

Messin‘ around.

Nein, ich bin kein Messi, meinen Müll bringe ich durchaus nach draußen. Aber je älter ich werde, desto öfter komme ich in Situationen, in denen ich über die Dinge stolpere, die sich über die Jahre in meinem physischen und psychischen Keller und Dachboden angesammelt haben. Und irgendwie keinen Platz für Neues lassen.

Da ich trotz allen Sicherheits- und Sparsamkeitsdenkens auch einen Faible für das Schöne habe, sowohl bei Fashion als auch bei Interior und sonstigen Kleinigkeiten, die das Leben ein bisschen glamouröser machen, kam ich irgendwann an den Punkt, an dem ich mich entscheiden musste: Nichts mehr kaufen. In eine andere Wohnung umziehen, damit meine Sachen allein wohnen können. Oder mich eben mal von Dingen trennen.

Nicht dass der Eindruck entsteht, ich wäre ein unkontrollierbarer Shopaholic. Ich glaube, das sind Fragen, die sich jeder irgendwann stellen muss. Es sei denn, man ist grundsätzlich eher pragmatisch veranlagt und gibt einfach her, was man nicht mehr braucht.  In über 30 Jahren Leben sammelt sich einfach einiges an.

Was ich an mir selbst bemerkt habe: Wenn mein Inneres im Ungleichgewicht ist, brauche ich äußerliche Ordnung. Ich glaube, das hat etwas mit Kontrolle zu tun. Zumindest im Außen kann ich bestimmen, was wohin gehört und was vielleicht sogar gehen muss. Und Ordnung zu halten, gibt mir irgendwie ein befreiendes Gefühl. Schnell wurde mir klar, dass man am besten Ordnung halten kann, wenn man mehr Raum hat und alle Dinge ihren angestammten Platz haben.

Erstmal Stauraum schaffen. Am besten mit neuen Möbeln.

So kam es, dass ich seit etwa einem Jahr gefühlt ununterbrochen am Ausmisten bin. Wenn man erst mal angefangen hat, kann das fast eine Sucht werden. Und natürlich spornen einen auch Insta-Bilder von minimalst-minimalistisch eingerichteten Wohnungen an, die einfach nur perfekt aussehen. Und ich sage es nicht gerne, aber vom Marie Kondo-Hype blieb zumindest eine Sache auch bei mir hängen: Schau dir die Dinge an und frage dich, ob sie dir Freude bereiten.

Klingt simpel, ist aber gar nicht so einfach, wenn man irgendwie an allem hängt. Und anfangs hielt ich das auch für esoterischen Quatsch (wer mal gesehen hat, wie sie vor jeder Aufräumaktion erstmal mit einem Ritual das Haus begrüßt, fragt sich schon, ob er da grade im falschen Film gelandet ist). Aber mit etwas Übung fängt man tatsächlich an, zwischen Erinnerung, schlechtem Gewissen, wirklicher Emotion und Gebrauchsgegenstand zu unterscheiden.

Katzentasse? Och, weiß nicht…

Ja, die Tasse hat mir mal eine Kollegin geschenkt. Aber hab ich sie je benutzt und finde ich sie schön? Eigentlich nicht. Und ich besitze auch noch 10 andere Tassen, die öfter in Gebrauch sind. Aber da ist es: Das schlechte Gewissen. Man verschenkt – oder noch schlimmer verkauft – doch keine Geschenke! Nein, im Grunde geht das wirklich gegen meine Überzeugung. Was mir geholfen hat, das Ganze aus einem anderen Blickwinkel zu sehen: Der Gedanke, dass es vielleicht jemanden gibt, dem dieser Gegenstand mehr Freude bereitet als mir. Und schon fällt es mir leichter, ihn in die Kiste für den Flohmarkt zu packen.

Briefchen von der ersten Liebe. Die bleiben natürlich.

Ich war nie ein Flohmarktmensch, aber den Gedanken, dass es zwischen behalten und wegschmeißen noch etwas anderes gibt, finde ich schön: Das, was ich loslasse, hat die Chance, jemand anderem nochmal Freude zu machen. Ein bisschen wie in Toy Story, als Andy zu groß für seine Spielsachen geworden ist. Ok, Woody, sein Lieblingsspielzeug, muss er natürlich behalten. Und so gibt es auch in meinem Keller eine Kiste, in der besondere Schätze weiter wohnen dürfen. Mein erster Teddy, Liebesbriefchen aus der 7. Klasse und meine 90er Hoodies, in denen ich mit 16 quasi gelebt habe.

Und irgendwann habe ich angefangen, mir all diese Fragen auch in anderen Bereichen zu stellen. Macht mein Job mir noch Freude? Hab ich noch Freude an bestimmten Freundschaften oder sind sie vielleicht doch in der letzten Zeit eher anstrengend geworden? Weil ich mich verändert habe. Weil andere sich verändert haben. Oder noch nie wirklich zu mir gepasst haben? Ist mein Leben so, wie ich es mir vorstelle oder muss ich da einfach auch mal mein Sicherheitsbedürfnis in Frage stellen?

Wie gesagt, das ist tatsächlich nicht leicht, wenn man sein ganzes Leben lang immer lieber an Bewährtem festgehalten hat. Manchmal wird man auch gezwungen, etwas loszulassen. Und merkt dann, wie befreiend das sein kann. Und auch bei der Anschaffung von Neuem höre ich genau in mich rein: Brauche ich das wirklich? Habe ich auf den ersten Blick schon richtig große Freude daran gehabt? Sagt mein Bauch mir, dass dieser neue Mensch mir gut tut?

Vielleicht entstaube ich demnächst doch mal das Cabrio. Und frage mich, ob es nicht doch jemanden gibt, der genau wie ich schon als Kind von so einem Auto geträumt hat.


Seid Ihr auch Sammler? Oder trennt Ihr Euch ganz leicht von Dingen und vielleicht sogar Menschen, die nicht mehr wirklich Platz in Eurem Leben haben?

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Eine Antwort zu „Kann das weg oder…? Sich von Dingen zu trennen ist schwerer, als gedacht.”.

  1. Avatar von Max Liebling

    Ich bin eher ein Sammler. Aber seit ich den Haushalt meiner Eltern auflösen musste, fällt es mir leichter mich von einigen Sammlungen zu trennen.
    LG Max

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